Nur noch ein paar Wochen, dann werden Robin, Julian und Jannis eingeschult. Mit dem Ende ihrer Kindergartenzeit lassen die Drei nicht nur einen spannenden Lebensabschnitt, sondern auch jede Menge Lieblingsplätze hinter sich.
„Für Geld kann man das nicht kaufen“, sagt Kindergartenleiterin Anja Peters vom evangelischen Familienzentrum am Kapellenweg und deutet auf das Außengelände der Einrichtung, das irgendwie ganz anders aussieht als sonst. „Heute haben alle unsere Kinder nur einen Lieblingsplatz“, lacht die Pädagogin. Wo sich üblicherweise im Schatten der üppigen Bäume die Sandecken zum Buddeln, die von Büschen gesäumte Spielwiese und die Gemüsebeete ausbreiten, lädt an diesem heißen Sommertag ein riesiges Freibad zum Plantschen ein. Als hätte das Wetter Robin (6 Jahre), Julian (5) und Jannis (5), den angehenden Erstklässlern und ihren Kollegen, noch eine letzte, unvergessliche Erinnerung zum Abschluss ihrer Kindergartenzeit bescheren wollen.
Pack die Badehose ein…
In Badehosen waten die Drei fröhlich durch die seichte Überschwemmung: schwer beschäftigt mit wichtigen Angelegenheiten. „Wir produzieren hier Schokolade“, erklärt Jannis, rührt mit beiden Händen in der dunklen Matsche herum und erläutert die Rezeptur: „Schwarze Erde und viel Wasser vermischen, dann trocknen lassen. Später verkaufen wir das an die Eltern.“ Während der anhaltende Regen der vergangenen Tage und dessen Folgen vielen Erwachsenen, allen voran Kellerbesitzern und Feuerwehrleuten, schwer zu schaffen macht, hat der Westerkappelner Nachwuchs sein Interesse auf die Vorteile der Schlechtwetterphase verlegt. „Eigentlich ist die Matschbahn da hinten mein Lieblingsplatz“, wirft Jannis ein und zeigt vage zur Peripherie des Tümpels, „aber dieses hier ist noch viel besser!“
Polizisten werden zu Piraten
Julian erzählt, dass er und seine Freunde unter normalen Umständen am liebsten auf der hölzernen Kletterbrücke Katze oder Räuber und Polizei spielen – aber heute ist das Klettergerüst verlassen: Sämtliche Katzen, Räuber und Polizisten haben sich in Seehunde, Kapitäne und Piraten verwandelt und toben über den kleinen Ozean. Sie brechen durch imaginäre Schilfgürtel, fliehen vor riesigen Seeungeheuern und machen sich auf die Suche nach dem sagenumwobenen Schokoladenschatz, der auf einer der wenigen verbliebenen Inseln in der Sonne vor sich hin trocknet… Das opulent gestaltete Außengelände, das die Eltern über die vergangenen Jahre angelegt und immer wieder erweitert haben, regt Landeier und Seebären zu abenteuerlichen Fantasiereisen an. Für Wehmut bleibt da gar keine Zeit.
Hängende Fledermaus
„Ich spiele am liebsten an den Turnstangen“, mag es Robin gerne sportlich: „Vorwärtsrolle, Rückwärtsrolle, und die hängende Fledermaus kann ich natürlich auch.“ Aber der Sechsjährige hat den Pausenhof der Ludgeri Grundschule in Mettingen, auf die er in ein paar Wochen gehen wird, schon genau unter die Lupe genommen: „Die haben da auch Turnstangen“, hat er festgestellt, so dass der Abschied vom alten Lieblingsplatz nicht ganz so schwer fällt. Für den quirligen Wildfang gilt: Nach der Turnstange ist vor der Turnstange.
Blick nach vorn
„Wenn ich zur Schule komme“, blickt auch Jannis den anstehenden Veränderungen zuversichtlich entgegen, „dann freue ich mich am meisten auf die Betreuung in der Wespe.“ Der unschätzbare Wert der Westerkappelner Elterninitiative aus seiner Sicht: „Die haben da alle die Spielsachen, die es hier im Kindergarten nicht gibt – zum Beispiel die kleinen Legosteine.“ Eine Horde vagabundierender Piraten beendet das Gespräch: Jannis, Julian und Robin verschwinden fröhlich kreischend in der Gischt der aufgewühlten See.
Besucher stets willkommen
Wer doch irgendwann Sehnsucht nach den Lieblingsplätzen seiner Kindertage bekommen sollte, kann jederzeit wiederkommen, versichert Anja Peters. „Wir veranstalten zum Beispiel ein Ehemaligentreffen – aber viele Kinder schauen auch zwischendurch einfach so vorbei.“ Zwei Dinge gilt es für alle Mädchen und Jungen, die jetzt den Kindergarten verlassen, also zu beachten: Wer seine Schritte künftig als Besucher zurück Richtung Familienzentrum lenkt: bitte unbedingt eine Badehose mitbringen. Und wer demnächst ins Schulleben hinein stiefelt, möge die Lektion beherzigen, die ihn der große Ozean am Kapellenweg so eindrucksvoll gelehrt hat: Wenn mal irgendwann im Alltag „Land unter“ zu herrschen scheint – immer das Beste daraus machen!
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 29.06.2016; Westfälische Nachrichten, 05.07.2016)