Der Natur und sich selbst etwas Gutes tun? Immer mehr Menschen entdecken die Imkerei als Hobby. Der Gedanke, eine bunte Artenvielfalt erhalten zu helfen und gleichzeitig leckeren Honig zu ernten, ist verlockend. Doch: Wie aufwendig ist die Bienenhaltung?
Während eines Ausflugs auf den zugestaubten Dachboden unserer alten Scheune habe ich einen betagten, aus Stroh geflochtenen Bienenkorb entdeckt. Uropa August, klärt mich die Verwandtschaft auf, sei ein begeisterter Imker gewesen. Ob vielleicht auch ich ein Händchen für die geflügelten Sonnenkinder habe? Um mehr über den Umgang mit der Honigbiene zu erfahren, wende ich mich an Erwin Nubbemeyer, Vorsitzender des örtlichen Imkervereins: „In der letzten Zeit haben wir auffällig mehr und vor allem auch jüngere neue Mitglieder aufgenommen als in den Jahren davor“, freut sich der erfahrene Bienenzüchter über das wachsende Interesse am stacheligen Bestäuber.
Ein Staat in der Kiste
Etwa 20 aktive Hobbyimker stellen derzeit in Lotte und Westerkappeln ihre sogenannten Magazinbeuten an den Waldrändern und Feldsäumen auf: stapelbare Kästen aus Styropor oder Holz, in denen jeweils ein aus bis zu 40.000 Insekten bestehender Staat samt seiner Königin zuhause ist. „Wir helfen Anfängern gerne weiter“, sagt Nubbemeyer. Aber wer sich umfassend informieren wolle, dem empfehle er, einen Schnupperkurs beim Bieneninstitut der Landwirtschaftskammer NRW in Münster zu besuchen. „Werner Mühlen, der Leiter des Instituts, und sein Team vermitteln dort sämtliche Grundlagen, die ein angehender Hobbyimker kennen sollte.“
Ökologischer Auftrag
Szenenwechsel: Die meisten der knapp 50 ambitionierten Bienenfreunde – vom Schüler bis zum Rentner, von der Studentin bis zum Ingenieur, die sich wie ich für den „Schnupperkurs Imkerei“ angemeldet haben, stehen ganz am Anfang ihres potenziellen neuen Hobbys: „Erst das Wissen, dann die Tat“, formuliert Sven aus Wiesbaden seine Motivation. Bis aus Freiburg sind die Teilnehmer angereist, um sich von Institutsleiter Werner Mühlen, Imkermeister Holger Kretzschmar und Ökotrophologin Marlene Backer-Struß die Welt der vierflügeligen Nutztiere erklären zu lassen. „Wir erleben zurzeit einen wahren Hype in der Imkerei“, freut sich Biologe Werner Mühlen. Denn egal, ob die künftigen Imker ihre Tiere im Vorgarten oder auf der Terrasse, in Obstwiesen, Kleingartensiedlungen oder an Ackerrändern halten – das Netz der fleißigen Pflanzenbestäuber wird immer dichter: „Wir Imker haben einen ökologischen Auftrag“, ist Mühlen überzeugt, „ob wir das wollen oder nicht.“
Dezente Aggressivität
Im Garten des Bieneninstituts wartet Holger Kretzschmar auf uns. Etwas schüchtern postieren wir uns um den Imkermeister herum und sehen ihm dabei zu, wie er vorsichtig den Deckel seines Stocks lüftet und behutsam eine Wabe herausnimmt. Über uns surrt eine, dezente Aggressivität signalisierende, Wolke aus Stachelträgern. „Wer den Stress des Alltags nicht ablegt, kriegt auch das friedlichste Bienenvolk bissig“, mahnt Kretzschmar. Also: fließende Bewegungen, keine Hektik, keine Erschütterungen. „Gestochen werden sie am Anfang natürlich trotzdem“, verströmt er einen ernüchternden Realismus. „Vergewissern sie sich also vor ihrem Einstieg in die Imkerei unbedingt, dass sie nicht allergisch reagieren.“
Regelmäßige Kontrollen
Etwa alle sieben Tage kontrolliert der Imker gewissenhaft jede Wabe in jeder seiner Bienenbeuten. Ist die Brut gesund? Haben sich auch keine Schädlinge eingeschlichen? Finden die Tiere noch ausreichend Pollen? „Als Anfänger können sie den Zustand der Waben allerdings nur schwer beurteilen“, gibt der versierte Bienenkundler zu bedenken. Sein dringender Rat: Wer sich für die Imkerei entscheide, möge sich um einen erfahrenen Paten bemühen, der ihn die ersten Monate über bei der Arbeit an der geöffneten Beute begleite.
Die Vielfalt der Ernte
Wer jetzt noch Zweifel hegt, kann sich bei Ökotrophologin Marlene Backer-Struß vom lockenden Lohn der künftigen Mühen überzeugen lassen: Vom lieblichen Akazien- bis zum herben Heidehonig lässt die Mitarbeiterin des Bieneninstituts uns die Vielfalt ihrer Ernte erschmecken. „Für die Produktion von 500 Gramm Honig haben die Bienen 2,5 Millionen Blüten besucht“, erklärt sie uns. Und somit auch dafür gesorgt, dass diese Pflanzen bestäubt werden, Früchte tragen und sich ausbreiten.
Süß und sinnvoll
Persönliches Fazit: Süß für den Gaumen und sinnvoll für die Umwelt ist die private Bienenhaltung auf jeden Fall. Doch ob auch der Rest meiner Familie beim Anblick tausender, verteidigungsbereiter Insekten, die geschäftig durch den Garten schwirren, die Nerven behält? Bevor wir in Uropa Augusts Fußstapfen treten, werden wir uns daher noch einmal gemeinsam nach Münster begeben: Am Samstag, 9. Juli, lädt das Team vom Bieneninstitut zu einem Tag der offenen Tür ein.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 25.05.2016; Westfälische Nachrichten, 25.05.2016)