Bulgor hat Schwein gehabt. Aber so richtig. Als delikate Einlage für eine kräftigende Suppe war der stattliche Hahn vorgesehen, aber dann kam alles ganz anders. Oder doch nicht? Denn irgendwie ist Bulgor ja trotzdem im Hühnerparadies gelandet: in einem sehr irdischen allerdings.
Grünes Gras unter den Krallen
Seit etwa fünf Wochen betreiben Tanja und Jens Stoffers einen mobilen Hühnerstall in der Westerkappelner Bauerschaft Westerbeck. 61 Hennen, zwei männliche Vertreter der eierlegenden Zunft, grünes Gras unter den Krallen und ein klimatisierter Arbeitsplatz auf Rädern nur eine Hühnerleiter entfernt: Wo ließe sich eine behütetere, komfortablere, artgerechtere Seniorenresidenz für den todgeweihten Bulgor finden als hier? Derlei Überlegungen im Herzen, machten sich die beiden Nachbarsbrüder Ole (5 Jahre) und Mika (3) kurzerhand auf den Weg, um ihren gefiederten Freund den nicht minder geflügelbegeisterten Stoffers als Geschenk zu übergeben. Die klassische Win-Win-Situation für Kind und Hahn.
Ein Draufgänger wird zum Chef
Tanja, Jens – und besonders ihre vierjährige Tochter Leonie Stoffers, haben den unerwarteten Zuwachs freudig in Empfang genommen und ihn in ihre bunte Schar integriert. „Bulgor hat sich schnell in der Rangordnung nach oben gehackt“, hat Jens Stoffers beobachtet. Inzwischen ist der Draufgänger der Chef der Truppe. Ole und Mika grinsen zufrieden: Ein Leben im mobilen Hühnerstall zu führen, dürfte – zumindest für den Hahn – wohl um einiges erquicklicher sein, als als kulinarische Köstlichkeit im Kochtopf zu enden.
Artgerecht und ökologisch
„Mehr Tiere können wir jetzt allerdings nicht mehr aufnehmen“, bedauert Tanja Stoffers. Denn schließlich soll es artgerecht zugehen, im mobilen Hühnerstall – und dazu gehört eben unter anderem, dass für jedes Tier ausreichend Platz vorhanden ist. Sowohl drinnen, im Wagen, als auch draußen, auf der Wiese.„Wir betreiben hier eine ökologische Hühnerhaltung ganz nach Vorschrift“, erklärt sie und öffnet die Tür des liebevoll designten Gefährts, den das Konterfei einer vor Gesundheit strotzenden Henne ziert. „Dafür hat übrigens unser ältestes Huhn Modell gestanden“, bemerkt Tanja Stoffers und deutet auf eine gereifte Schönheit von acht Jahren, die ihren Schnabel gerade versonnen in ein Stückchen frische Paprika versenkt.
„Unsere Kapazitäten sind ausgeschöpft“
„Unsere Hühner bekommen eine Körnermischung aus Mais, Hafer, Gerste und Weizen“, erklärt Jens Stoffers. Und hin und wieder ein paar Küchenabfälle – Kartoffelschalen, Obst- und Gemüsereste. „Kein Legemehl“, betont er. Denn Legemehl rege die Tiere nicht nur zu einer unnatürlich hohen Eierproduktion an, sondern sei für einige Menschen zudem schwer verträglich und könne sogar allergische Reaktionen auslösen, spricht er aus eigener leidvoller Erfahrung. Die Stammkunden der Stoffers wissen die Qualität der Freilandeier zu schätzen. „Manchmal kommen unsere Hühner gar nicht so schnell nach“, schmunzelt Tanja Stoffers. „Unsere Kapazitäten sind definitiv ausgeschöpft.“
Sonnenbaden und Pickstein-Picken
Neben viel Platz, einer gesunden, abwechslungsreichen Ernährung, schattenspendenden Unterständen und jeder Menge sonnenbeschienener Frischluftplätze für das tägliche Sandbad, gibt es in Bulgors Hühnerparadies außerdem eine immer wieder frische, alle drei Wochen neu abgesteckte Grasfläche sowie allerlei Beschäftigungsmöglichkeiten vom „Pickstein-Picken“ bis zum „Strohballen-Zerrupfen“. Allerdings herrscht eine strenge Hausordnung: „Um acht Uhr abends schließen sich automatisch die Türen des Hühnerstalls.“ Sicher ist sicher. Zu diesem Zeitpunkt schaltet sich auch die Beleuchtung aus und von da an ist Stallruhe angesagt. Dann sitzt der gute, alte Bulgor gemütlich zwischen seinen Hennen auf der Stange und wartet. Nur noch ein paar Stunden, bis er endlich wieder durchstarten und mit einem herzhaften Krähen den nächsten Tag im Hühnerparadies begrüßen darf.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 27.04.2016; Westfälische Nachrichten, 27.04.2016)