Keine Angst vor schlechten Karten

Der Spaßfaktor siegt beim Doppelkopf-Turnier des SV Büren (von links): Jörg, Gertrud, Jörn und André überzeugten allerdings auch durch ihre spielerischen Leistungen. Foto: Ulrike Havermeyer
Der Spaßfaktor siegt beim Doppelkopf-Turnier des SV Büren (von links): Jörg, Gertrud, Jörn und André überzeugen allerdings auch durch ihre spielerischen Leistungen. Foto: Ulrike Havermeyer

Ja, es kostet mich Überwindung. Obwohl ich seit etlichen Jahren einer privaten Doppelkopf-Runde angehöre, habe ich doch noch nie an einem öffentlichen Turnier teilgenommen. Der Grund dafür? Ganz einfach: Ich kriege in der vertrauten Konstellation schon Ärger genug. Das liege einzig und allein an meiner „völlig unkonventionellen“ Spielweise, behaupten meine Kollegen. Was spricht dagegen, als Re-Frau für den ersten Stich die Pik-Dame zu ziehen? Ich vermute viel eher, dass ausnahmslos der heißblütige Ehrgeiz und die mit jedem Lebensjahr zunehmende Schrulligkeit meiner durchweg männlichen Mitstreiter die Ursache für unsere zeitweilig aufwallenden Differenzen sind. Meine drei Pappenheimer schütteln mitleidig den Kopf: In jeder anderen Spielerformation, geben sie sich überzeugt, würde man mich angesichts meiner extravaganten Karten-Eskapaden allenfalls noch zum Getränkeholen in den Keller schicken. Wenn überhaupt.

Im Geiste des Fairplays

So, so … liebe Freunde. Wenn ihr euch da mal nicht täuscht. In der Zeitung ist mir die Einladung des SV Büren zu einem öffentlichen Doppelkopf-Turnier ins Auge gefallen. Im Kreise sportlich gesinnter Zeitgenossen vertraue ich auf den Geist des Fairplays: Genau die richtige Umgebung für eine wettkampfunerfahrene Spielerin wie mich, ihre vermeintlichen Schwächen ein für allemal zu widerlegen. Allerdings: Was, wenn die Anderen nun doch um Längen besser spielen als ich? Die unangenehme Möglichkeit einer Blamage geistert beharrlich durch meine Gedanken, als ich das Vereinsheim am Stadion in Büren betrete.

Zwischen Mettbrötchen und Musikanlage

Auf dem Tresen stehen Platten voller Mett- und Käsebrötchen bereit, dahinter sind SV-Büren-Fußballobmann Michael Gründel und sein Kollege Carsten Freund mit den Vorbereitungen für das Turnier beschäftigt: Die Loskarten für die Vergabe der Sitzplätze müssen ausgelegt, das Startgeld eingetrieben und die Namen der 16 Teilnehmer notiert werden. Gespielt werden drei Runden à 16 Spiele. Ein letzter Blick ins Reglement – dann geht es auch schon los: „Tisch 3, Position 3“, lotst mich mein Kärtchen zunächst an einen Tisch mit Gertrud (63 Jahre), Dieter (78) und Sebastian, genannt Tenni (32). „Keine Bange“, beruhigt mich Tenni, als er meine Aufgeregtheit bemerkt und bietet mir erstmal das Du an: „Wir spielen hier zwar ganz im Ernst um Preise, aber vor allem geht es bei uns um das Beisammensein und um den Spaß.“ Tatsächlich: Neben den Mettbrötchen warten eine Musikanlage, ein Getränkegutschein und eine Flasche Hochprozentiges auf die Gewinner des Abends. Doch die unerwartete Leichtigkeit des Doppelkopfspiels zu erleben, erscheint mir mindestens ebenso verlockend.

Kreuz Ass. Fehl bedienen. Fuchs sticht.

Anders als in unserer privaten Runde, müssen unter Wettkampfbedingungen sämtliche Ansagen vor der ersten Karte kundgetan werden. „Vorbehalt!“, ruft Tenni und überfliegt sein Blatt. Aber dann wird es doch ein ganz zahmer Durchgang ohne „Solo“ und ohne „Keine neun“. Kreuz Ass. Fehl bedienen. Fuchs sticht. Re-Mann spielt Trumpf. Tenni betrachtet etwas missmutig seine Karten und schwelgt lieber in wohligen Kindheitserinnerungen: Als er noch ein kleiner Steppke gewesen sei, habe Gertrud, die hinter dem Tresen des örtlichen Fleischers gearbeitet hat, ihm regelmäßig eine Scheibe Wurst zugesteckt. Gertrud grinst: „Aus dem Alter bist du jetzt aber raus.“ Karo König. Dulle. Karo zehn. Pik König. Dieter streicht einen weiteren Stich ein. Der Senior redet wenig. Gewinnt aber hoch. Und wie ist es um mich bestellt? Vor lauter kurzweiligem Gesprächsstoff habe ich den Spielstand völlig aus den Augen verloren. „Elftes Spiel – Tenni: 22 Punkte, Gertrud: 22 Punkte, Ulrike: 22 Punkte, Dieter: 30 Punkte“, verkündet Gertrud. Na, wer sagt’s denn …

Eine wichtige Erkenntnis

Im weiteren Verlauf des Turniers lerne ich auch noch Gaby (49), Ingo (48) und Carsten (49), Jörg (50) und seine Schwester Monika (53) kennen. Zugegeben: Zwischendurch vergesse ich schon mal, ob ich gerade Re oder Contra bin, gewinne immerhin ein Buben-Solo und finde mich zu später Stunde irgendwo im Mittelfeld wieder. Weit entfernt von der Radioanlage und dem Getränkegutschein – aber um eine Erkenntnis reicher: In den Keller zum Getränkeholen gehe ich beim nächsten Treffen mit meinen drei Jungs jedenfalls nicht.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 16.03.2016; Westfälische Nachrichten, 16.03.2016)