Vielleicht hat Ingrid Neteler sogar recht. Die Trommel, sagt die Musikpädagogin – und ihre Augen glänzen dabei vor Begeisterung, sei „das tollste Instrument von allen“. Die sechs Frauen und zwei Männer, die außer mir im Westerkappelner Forum Musaik um die ausgebildete Percussionistin aus Osnabrück im Kreis herum sitzen, nicken zustimmend. Für die meisten von ihnen ist das hier nicht der erste Workshop bei Ingrid Neteler. Für mich dagegen schon. Nicht nur der erste Unterricht, sondern der erste Kontakt zu diesem Instrument überhaupt. Ich klemme mir die Djembe – eine aus Afrika stammende, mit Ziegenfell bespannte Bechertrommel, die mir die Kursleiterin zum Ausprobieren in die Hand gedrückt hat, unbeholfen zwischen die Knie und bleibe erstmal skeptisch. Keine Frage – ich mag Musik. Aber ich bin Westfälin. Die Improvisation ist meine Sache nicht. Wenn ich spiele, dann bitte nach Noten. Blockflöte. Klavier. Gesang.
Aus dem Bauch heraus
Was mich hier erwartet, wird anders. Soviel steht fest. Als Marita aus Mettingen zum Aufwärmen ihre Conga anschlägt, beginnt meine Bauchdecke leicht mit zu vibrieren. Sich dem Klang einer Trommel zu entziehen, schwant es mir, scheint schon rein körperlich kaum möglich zu sein. „Gu-ten Mor-gen!“ begrüßt uns Ingrid Neteler – mit Stimme und natürlich: mit Trommel. Sie demonstriert die lockere Handhaltung, entspannte Schultern sind wichtig – dann zeigt sie, an welcher Stelle der Fellfläche wir dem Instrument welche Töne entlocken: „In der Mitte liegt der Bass, am Rand befinden sich die Offs“, erklärt sie und hebt auffordernd die Augenbrauen: „Gu-ten Mor-gen!“ Bass – Bass – Off – Off. Rechts – links- rechts – links. Gu-ten Mor-gen. Gu-ten Mor-gen. Zunächst noch etwas zögerlich taste ich auf meiner Djembe herum: Gu-ten Morgen … Gu-ten Mor-gen … Ich merke, wie meine Unsicherheit mit jedem Schlag einer Art freudiger Aufgeregtheit weicht. Gu-ten Mor-gen! Gu-ten Mor-gen! Zehn enthusiastische menschliche Stimmen und zehn kraftvolle Trommeln legen los und finden buchstäblich im Handumdrehen zu einem gemeinsamen Rhythmus – was für ein Spaß!
Ein unwestfälisches Instrument?
„Wenn ihr die jeweiligen Sprüche zu den verschiedenen Rhythmen immer schön mitsprecht – zuerst laut, später dann in Gedanken“, übertönt Ingrid Neteler die mitreißende Klangwelle, „hilft euch das, den Takt zu halten und nicht immer schneller zu werden.“ Nach „Gu-ten Mor-gen“ wartet die nächste Herausforderung auf uns: Die ersten Verse eines senegalesischen Dankliedes: „Ba-ba la Gum-bu-la. Gum-bu-la na vi-ce.“ Zuerst mal nur mit Stimme. Dann mit dem Gu-ten-Mor-gen-Rhythmus unterlegt. Passt. Es folgt ein neuer Beat: „Tee-kan-ne. Tee-kan-ne…“ Bass – Off – Off. Rechts -rechts – links. Und dann wird es turbulent: Fünf von uns übernehmen die „Tee-kan-ne“, fünf den „Gu-ten Mor-gen“, dazu singen wir abwechselnd „Ba-ba la
Gum-bu-la…“. Sobald ich anfange, zu denken, schliddere ich aus dem Rhythmus. Am besten klappt es, wenn ich die Augen schließe und dem Bauchgefühl das Steuerruder überlasse. Ich trommle. Ich singe. Ich bin begeistert. Tee-kan-ne. Frucht- sa-lat. Spa-ghet-ti. Ap-fel-ku-chen. Mit Sah-ne! Und ich erwäge ernsthaft, mir eine eigene Djembe anzuschaffen. Ob es mir wohl gelingt, auch meine Familie, die sich aus bodenständigen Westfalen und meinungsstabilen Niedersachsen zusammensetzt, davon zu überzeugen, dass die Trommel ein tolles Instrument ist? Denn: „Der Reiz liegt in der Polyrhythmik“, sagt Ingrid Neteler und lächelt in die Runde. So richtig Spaß macht Trommeln eben nur in einer Gruppe.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 17.02.2016; Westfälische Nachrichten, 17.02.2016)