Was ist eigentlich drin, im Windrad?

Seit mehr als zehn Jahren betreibt Landwirt Norbert Frehe sein Windrad. Foto: Ulrike Havermeyer
Seit mehr als zehn Jahren betreibt Landwirt Norbert Frehe sein Windrad. Foto: Ulrike Havermeyer

Nein, hinter der grün gestrichenen Tür, die Landwirt Norbert Frehe heute am Fuße seines 50 Meter hohen Turms öffnet, versteckt sich keine steinerne Wendeltreppe mit ausgetretenen Stufen. Und: Nein, an der Spitze des imposanten Bauwerks weist auch kein Leuchtfeuer den Hochseeschiffen ihren Weg: Die im Jahre 2002 in Betrieb genommene Windkraftanlage trägt anstelle einer 2000-Watt-Xenon-Hochdruck-Lampe vielmehr drei 15 Meter lange Rotorblätter an ihrer Spitze – und, statt wie die Kollegen Leuchttürme, Strom zu verbrauchen, erzeugt sie welchen.

„Ich steige da nicht rauf!“

In den Schaltschränken verbirgt sich jede Menge Steuerungstechnik. Norbert Frehe hat aber nichts damit zu tun: Die Anlage wird komplett fernüberwacht. Foto: Ulrike Havermeyer
In den Schaltschränken verbirgt sich jede Menge Steuerungstechnik. Norbert Frehe hat aber nichts damit zu tun: Die Anlage wird komplett fernüberwacht. Foto: Ulrike Havermeyer

„Nach oben kann man im Turm aber trotzdem kommen“, erklärt Norbert Frehe, schließt die Eingangstür auf und deutet auf eine schmale Metallleiter, die an der Innenseite der komplett aus Stahl bestehenden Turmwand befestigt ist. Wie oft er da rauf muss? Frehe winkt lachend ab: „Ich steige da gar nicht rauf“, zeigt sich der Landwirt überzeugt bodenständig, „aber dreimal im Jahr wird die Anlage von den Monteuren der Herstellerfirma gewartet.“ Und von denen klettere jedes Mal einer bis ganz nach oben zum Generator hinauf. „Mit entsprechendem Sicherheitsgeschirr natürlich“, betont Frehe, legt den Kopf in den Nacken und äugt respektvoll durch den langgestreckten Schaft zur Nabe empor. „Auf halber Höhe befindet sich eine kleine Plattform“, erläutert er: „Zum Ausruhen für die Monteure.“ Verständigen können sich die Windradexperten dann über eine interne Telefonanlage: Ein Hörer befindet sich am Fuß, einer in der Spitze des Turms. Rund 400.000 Kilowattstunden speist die Anlage pro Jahr in das öffentliche Netz ein – vorausgesetzt der Wind lässt die drei Rotorblätter ordentlich kreisen. „Mit dieser Leistung können gut 100 Haushalte ihren Bedarf an Strom decken“, erklärt Frehe nicht ohne einen Anflug von Stolz.

Das Gehirn des Giganten

Während die beachtlich steil verlaufende Metallleiter im Inneren des in Bodennähe ungefähr drei Meter breiten Turmes einen nahezu verschwindend geringen Platz einnimmt, machen sich gleich mehrere Schaltschränke dort ziemlich breit. Hinter deren Türen wiederum verbirgt sich die Elektronik der Anlage – mithin das Gehirn des, in Anbetracht der inzwischen mehr als doppelt so hohen modernen Anlagen, eher kleinen Giganten. „Alle Leistungsparameter werden rund um die Uhr vom Hersteller fernüberwacht“, schaltet sich nun auch Frehes Sohn Dominik in das Gespräch ein. Was für seinen Vater wiederum bedeutet: Auch, was die Steuerung der komplexen Technik angeht, gibt es für ihn hier nichts zu tun. „Hin und wieder lese ich den Zählerstand ab“, bestätigt der Senior, „ansonsten läuft das alles voll automatisiert.“ Erreicht der Wind eine Geschwindigkeit von zwei Meter pro Sekunde, schaltet sich die Anlage ein, dreht ihren Kopf in den Wind und richtet die Rotorblätter aus. „Im Vergleich zu anderen Techniken, die regenerative Energien zur Stromerzeugung nutzen – wie zum Beispiel Photovoltaik-Anlagen“, gibt Tochter Lisa Frehe zu bedenken und weist auf den schlanken Schaft des Windrads, „ist die Windenergie sehr flächenschonend.“

Ein Meer aus wogenden Grashalmen

Gewissenhaft verriegelt Norbert Frehe die grüne Tür zur Steuerzentrale seiner Anlage wieder. Nein, auch wenn der eindrucksvolle Turm, der da in der Bauerschaft Höckel inmitten eines weitläufigen, sanft wogenden Meeres aus herbstlich verblichenen Grashalmen steht, das Flair einer rauen Küsten-Szenerie vermittelt: Norbert Frehe ist kein Leuchtturmwärter. Als Orientierungsmarke betrachtet der Voltlager sein Windrad aber trotzdem: „Der Weg in die Zukunft führt über die Nutzung regenerativer Energien“, ist er überzeugt.

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 20.12. 2015)