Hinter einer schlichten Holztür wohnt die Musik. Behutsam dreht Winfried Schmidt seinen Schlüssel in dem gußeisernen Schloss herum und drückt die abgegriffene Klinke herunter: Im Halbdunkeln wird ein verwinkelter Raum sichtbar. Zierliche Holzleitern verbinden verschiedene Ebenen miteinander. Doch die Töne, die hier in ihren 1272 Pfeifen verborgen sind, schlafen gerade – Stille beherrscht die kleine Kammer. Winfried Schmidt lächelt und deutet einladend auf den geöffneten Durchgang hin: „Stoßen sie sich nicht den Kopf – es ist ziemlich eng hier drinnen“, sagt er und knipst das Licht an.
Wie ein zweites Zuhause
Seit 50 Jahren spielt Schmidt nun schon die imposante Orgel in der St. Laurentius Kirche in Neuenkirchen. Und wenn der 75-Jährige den Zugang zum Orgelwerk auf der Empore aufschließt, dann ist das für ihn wohl auch ein bisschen so, als beträte er sein zweites Zuhause. Langsam, die Arme dicht an den Körper gelegt, schieben wir uns ganz vorsichtig an den schlanken Blechgestalten entlang. Nur nichts anfassen – die Orgelpfeife an sich reagiert so empfindlich wie eine nervenschwache Diva auf jede unachtsame Behandlung – und vergilt menschliches Fehlverhalten mit nachhaltiger Verstimmtheit. Winfried Schmidt legt den Kopf in den Nacken, lässt seinen Blick über die schweigenden, matt glänzenden Röhren schweifen und nickt zufrieden.
Musikalische Mitstreiter aus Holz und Blech
„Trompetenregister, Prinzipalregister, Flötenregister“, stellt der Neuenkirchener seine musikalischen Mitstreiter aus Holz oder einer Zink-Blech-Legierung vor, mit deren tönender Unterstützung er Sonntag für Sonntag die Gottesdienste in der St. Laurentius Kirche begleitet. „Insgesamt verfügt unsere Orgel über 27 Register“, erklärt er, „deren Klänge sich allesamt ausgesprochen weich und sanft anhören.“ Einmal im Jahr wird das Instrument gestimmt: „Meistens machen wir das vor Weihnachten, wenn die Heizperiode beginnt.“
Installiert worden sei die Orgel in den Jahren 1912 bis 1913, erzählt Winfried Schmidt. „Ein paar der Pfeifen stammen sogar noch aus der alten Kirche, die vor dem Bau von St. Laurentius Ende des 19. Jahrhunderts an dieser Stelle gestanden hat.“ Wir quetschen uns durch einen weiteren Nebengang: Hinter einem dicken Filzvorhang steht der riesige Blasebalg, der den Pfeifen ihr musikalisches Leben einhaucht. Seit 1973 steuere er das Gerät direkt von seinem Spieltisch aus, berichtet Schmidt.
Der schönste Moment des Festes
Und wenn er an die Weihnachtszeit denkt – worauf freut sich der Organist von St. Laurentius am meisten? Für seine Antwort auf diese Frage braucht Winfried Schmidt keine Sekunde Bedenkzeit. „Wenn ich am Heiligen Abend am Ende der Messe ‚Stille Nacht‘ auf der Orgel spiele – und der Chor und die Gemeinde stimmen mit ein“, er atmet tief durch: „Das ist für mich der schönste Moment des ganzen Weihnachtsfestes.“
(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 12.2015)