Text von Frank Wiebrock
Durch den Gehörschutz dringt nur das gleichmäßige Brummen des Motors und das einschläfernde Dröhnen des Mähwerks. Und ab und zu ein Knall, wenn die hochtourig rotierenden Messer einen Zweig oder einen kleinen Stein zwischen die scharfen Schneiden bekommen. Rasenmähen mit einem Aufsitzmäher kann etwas wunderbar Meditatives sein – vor allem dann, wenn sich die Fläche hinreichend groß gestaltet. Wie ist das, wenn man fast mehr Garten hat, als einem lieb ist?
„Olle use“, hatte der von Alter und Arbeit gebeugte Großvater meiner Frau damals am Dielentor gesagt und dabei vage in Richtung Horizont gezeigt. Damals, als sich andeutete, dass der Junge aus der Siedlung möglicherweise längerfristig der Begleiter seiner Enkelin sein könnte. Der technisch interessierte Niedersachse hegte nicht nur Sympathien für die Hoferbin im benachbarten Westfalen, sondern hatte natürlich auch schon davon gehört, dass hinter den vielen Toren der Remise noch ein Traktor stehe. Kein Hightech-Monster, sondern ein IHC aus den frühen 1970er-Jahren mit rund 30 PS, klassischem Fritzmeier-Verdeck, Mähbalken und Frontlader.
Nun, bis zum Horizont reichen die Flächen, die zu dem alten Anwesen gehören, nicht einmal annähernd. Trotzdem: Ein paar Hektar kommen da rund um die Hofstelle schon zusammen. Zuwenig, um heute noch Landwirtschaft zu betreiben – selbst wenn einem danach wäre. Aber genug, um die Perspektive auf Garten und Gartenarbeit ein wenig zu verschieben. Denn obwohl die Felder verpachtet sind, bleiben noch etliche Quadratmeter, die gepflegt und idealerweise auch gestaltet werden wollen.
Was immer geht, ist Rasen: grün, vielseitig nutzbar und vergleichsweise pflegeleicht. Jedenfalls dann, wenn man sich damit arrangieren kann, dass auch Moos eine Existenzberechtigung hat und die ein oder andere Unebenheit kein Drama, sondern einfach da ist. Wobei zugegeben, Vertikutieren dem Rasen sicher gut tun würde. Nicht ohne Grund steht das schon recht lange auf der To-Do-Liste. Allerdings fehlt das dafür nötige Gerät im angerosteten Fuhrpark.
Denn im Gegensatz zu der kleinen Parzelle, die vor dem Umzug aufs Land zur gemeinsamen Wohnung in der Osnabrücker Wüste gehörte, lässt sich das weitläufige Gelände in der abgelegenen Bauernschaft nicht mehr mit handgetriebenen Geräten bewältigen. Auch der erste Rasentraktor ist inzwischen ausgemustert und wartet als stille Reserve im Schuppen auf bessere Zeiten. Sein Problem: der Fangkorb. Wer will schon nach jedem Mähtag anhängerweise den Rasenschnitt zum Grünabfallplatz bringen? Das aktuelle Modell ist deshalb ein Aufsitz-Mulcher, mit allen Vor- und Nachteilen: Der kleingeraspelte Grasschnitt bleibt liegen, wird dafür aber gelegentlich unter den Schuhsohlen haftend ins Haus getragen. Übrigens: Gerade beim Mulchen wird regelmäßiges Vertikutieren empfohlen …
Man kann es bedauern, aber weitgehend verschwunden sind die von früheren Generationen liebevoll gehegten und gepflegten Staudenbeete und auch die Stachelbeerbüsche. Um beide ist es schade, nur bei zwei Berufstätigen und damals noch zwei kleinen Kindern wurden die Prioritäten anders gesetzt. Stattdessen wachsen in den Bereichen heute kleine Wildwiesen, Blühstreifen im privaten Garten. Das Praktische daran: Auch die können bei Bedarf gemäht werden.
Der alte IHC kommt natürlich auch noch regelmäßig zum Einsatz. Zum Beispiel beim Wiesemähen oder Holz transportieren. Und erinnert dann daran, dass die Landwirtschaft auch in den 1970er-Jahren noch harte Arbeit war: Servo-Lenkung? Gibt es nicht. Die gefederte Sitzschale? Bequem geht anders. Und wozu die ganzen Hebel und Pedale da sind und was sie genau bewirken – Handgas, Agromatik, Untersetzung, Hydraulikblock, Mähbalkenantrieb, Zapfwellensteuerung, Differenzialsperre, ein trennbares Bremspedal, die unterschiedliche Ansteuerung für den Kraftheber mit Ackerschiene am Heck – all das muss man sich als Siedlungskind mühsam erarbeiten.
Der Lohn der Mühe: Treckerfahren macht tatsächlich Spaß, besonders dann, wenn man es kann, aber eben nicht muss. Ab und zu hängt auch wieder das nach heutigen Maßstäben kleine Kreiselmähwerk in der Aufnahme am Traktor-Heck, ist korrekt eingestellt und dreht sauber hoch. Denn nicht nur der Rasen, auch die Wiesen wollen gelegentlich gemäht werden.
Die hat die gesamte Familie mit viel Mühe angelegt und eingezäunt, als die Tochter ihre Zuneigung zu Ponys entdeckte: Rund 150 Löcher wurden in den Boden gebohrt, Pfähle gesetzt, ausgerichtet, noch ein paar Zentimeter tiefer gerammt, angefüllt, das Erdreich verdichtet und die Pfähle schließlich mit Isolatoren und Elektroband versehen. Die erste Wiese dummerweise mit Holzpfählen. Schön anzuschauen, doch leider trotz Imprägnierung nur bedingt haltbar. Etliche von ihnen haben inzwischen vor dem feuchten Boden kapituliert und sind morsch geworden. Auch das gehört zum Frühlingsritual: Die gelichteten Reihen werden mit Pfählen aus Recycling-Kunststoff aufgefüllt: Nicht so schön, dafür aber einigermaßen witterungsresistent.
Wenn der Garten (zu) groß ist, stellen sich weitere Fragen: Wie grenzt man die Areale, die weniger gepflegt werden, von dem Vorzeige-Teil ab? In unserem Fall dient dazu Holz. Die auf 90 Zentimeter eingekürzten und gespaltenen Stämme und Äste werden sauber aufgestapelt und bilden so optische Trenner. Warum die Scheite nicht verheizt werden? Ganz einfach: Wir haben (immer noch) keinen Ofen.
Apropos Holz: Die mit viel Liebe entlang des Entwässerungsgrabens gesetzten eineinhalb Dutzend Weiden gedeihen prima, müssen aber regelmäßig geschneitelt werden. Das dabei anfallende Geäst schichten wir zu einem Holzwall auf. Die dafür zu dünnen Triebe werden zum Grünabfallplatz gebracht. Zwei Weiden füllen einen Anhänger. Ein leistungsfähiger Häcksler – idealerweise mit Zapfwellenantrieb für den Trecker – steht auf der langen Wunschliste direkt hinter einem Ofen und noch knapp vor dem Vertikutierer und einem Pfahlbohrgerät. Oder doch erst eine Rüttelplatte? An einigen Stellen im Garten schreit das Pflaster inzwischen förmlich nach Erneuerung.
Aber erstmal wird weiter Rasen gemäht. Eingelullt vom Brummen und Dröhnen fliegen die Gedanken: Man könnte doch noch eine Trockensteinmauer ziehen. Oder hinten in der Wiese einen kleinen Teich anlegen. Oder die alten Obstbäume mal wieder zurechtstutzen und Saft mosten. Oder eine Hecke pflanzen. Eine Hütte neben die Kleinkläranlage bauen, um dort die Steuerung und Geräte unterzubringen. Eine Terrasse unter den Kirschbäumen wäre auch nicht schlecht. Oder einen Gemüsegarten anlegen. Oder den Weg durch das kleine Wäldchen freischneiden. Rumms – einer der vielen Maulwürfshügel wird lautstark vom Mähwerk eingeebnet und unterbricht die monotone Geräuschkulisse ebenso wie den Gedankenfluss. Einfach Fertigmähen muss auch mal genügen, für den Rest ist morgen noch Zeit …
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 28. März 2020)