Auf gut 100 Gäste hatte der Lions Club Leonarta Ankum spekuliert, als er die erste große Charity-Veranstaltung seit seiner Gründung im Jahr 2014 zu planen begann: ein Champions Dinner mit Ulrike Nasse-Meyfarth, der Doppel-Olympiasiegerin im Hochsprung. Eine klare Fehleinschätzung, wie sich jetzt herausstellte.
„Wir sind überwältigt“, sagt Nicola Feige und lässt ihren Blick immer wieder durch den Festsaal des See- und Sporthotels Ankum schweifen. Die Kerzen auf den opulent eingedeckten Tischen sind bereits entzündet, die Atmosphäre könnte herzlicher kaum sein, erwartungsvoll flanieren die Gäste durch die Szenerie. Die Präsidentin des Lions Club Leonarta Ankum wirkt ein bisschen wie paralysiert. Angenehm paralysiert. „Mit so einer Resonanz hatten wir wirklich nicht gerechnet“, scheint sie den Erfolg ihres Pilotprojekts auch jetzt noch nicht so recht realisieren zu können. Denn statt der angepeilten 100 Teilnehmer, haben in den vergangenen Wochen mehr als 200 Interessenten eine Karte für das Benefiz-Dinner zugunsten des Bersenbrücker Schutzhauses für Frauen und Kinder gekauft. „209 Personen, um genau zu sein“, präzisiert Feige mit stolzem Lächeln.
Schon beim Sektempfang mischt sich Gastrednerin Ulrike Nasse-Meyfarth unter die Menge, plaudert mit den Gästen und beantwortet Fragen. Platziert hat sie sich vor einer dekorativ drapierten Hochsprunganlage, die allerdings so gut wie niemand bewusst wahrzunehmen scheint – viel zu hoch schwebt die aufgelegte Latte über den Gästen. Sogar Ulrike Nasse-Meyfahrt, mittlerweile 63 Jahre alt und 1,85 Meter groß, muss ihren Kopf in den Nacken legen, um die Höhe ins Visier zu bekommen: „2,03 Meter – da bin ich mal rübergesprungen“, sagt die Ausnahmeathletin mit Blick auf ihre persönliche Bestleistung, den Weltrekordsprung von 1983 in London. Allgemeines Raunen und ungläubiges Kopfschütteln. So hoch also sind die Hürden, die eine echte Championesse zu nehmen weiß.
Neben olympischen Dimensionen soll es an diesem Vorabend des Weltfrauentags aber auch um jene Hürden und Hindernisse gehen, die Frauen in ihrem ganz normalen Alltag zu bewältigen haben. Darum, dass die meisten Biografien – selbst die eines Champions – neben Höhen eben auch Tiefen aufweisen, und darum, wie sich diese Krisen überwinden lassen. Auch dazu hat Nasse-Meyfarth einiges beizutragen. Denn die Rheinländerin – die 1972 in München mit 16 Jahren als jüngste und 1984 in Los Angeles mit 28 Jahren als damals älteste Hochsprung-Olympiasiegerin in die Sportgeschichte eingegangen ist – musste auch mit Niederlagen und Rückschlägen fertig werden. Über die Zeit nach ihrem Sensationserfolg von 1972 sagt sie: „Ich hatte Probleme in der Schule, Probleme mit meinem Umfeld und Probleme mit mir selbst.“
Noch viel finsterer dürfte es im Inneren der Frauen, Mütter und ihrer Kinder aussehen, die im Bersenbrücker Schutzhaus Hilfe suchen und finden. „Viele der Frauen haben massive Gewalterfahrungen gemacht – körperliche, psychische, finanzielle, soziale oder sexuelle“, berichtet Sozialpädagogin Heike Bartling, die mit ihrem Team die Frauen und Kinder im Schutzhaus berät und unterstützt. Zusammen mit Fachanwältin Dorothee Möllmann stellt Bartling den Gästen des Champions Dinners die Arbeit der Einrichtung vor, für die die „Löwinnen aus dem Artland“ an diesem Abend eine möglichst hohe Spendensumme generieren wollen. Vor dem Dessert seien schon 6000 Euro zusammengekommen, verkündet Nicola Feige nach dem Hauptgang. Aber noch sei Platz in den Spendendosen.
Wie sie sich denn selbst aus ihrem Tief befreit habe, will nach dem Vortrag von Ulrike Nasse-Meyfahrt – während dem sie das Publikum mit auf eine Zeitreise zu den olympischen Spielen nach München und Los Angeles nimmt und an ihren persönlichen Eindrücken teilhaben lässt – eine Zuhörerin wissen. Meyfahrt überlegt. Sie habe sich bewusst vorgenommen, sagt sie schließlich, den Überraschungssieg von München noch einmal zu wiederholen und ihre Leistung zu bestätigen. Habe dann in Gerd Osenberg den perfekten Trainer gefunden, habe sehr hart mit ihm gearbeitet und sich bemüht, die zum Teil heftige öffentliche Kritik einfach zu ignorieren. „Man muss sich die richtigen Leute suchen“, zieht sie ihr Fazit.
Das sei genau der richtige Appell an die schutzbedürftigen Frauen und Kinder, denen der Erlös aus dem Champions Dinner zugutekomme, gelingt Nicola Feige der weiblich-solidarische Brückenschlag: „Denn Heike Bartling und ihr Team sind genau die richtigen Leute, an die sich schutzbedürftige Frauen und Kinder wenden können.“ Eine Kontaktaufnahme bietet das Schutzhaus telefonisch unter 05439 3712 während seiner Dienstzeiten montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr, in Notfällen aber auch rund um die Uhr (auch am Wochenende) an. Das Schutzhaus ist außerdem per E-Mail: frauenhaus@skf-bersenbrueck.de zu erreichen.
(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 10. März 2020)