Wer hätte geahnt, dass auf dem Werksgelände des Kohlekraftwerks in Ibbenbüren eine solche Artenvielfalt herrscht? Uhu und Rothirsch, Waldrapp und Wildschwein huschen allerdings nicht quickfidel zwischen Kühlturm und Kesselhaus herum, sondern sind als ausgestopfte Präparate in einem Nebengebäude der RWE zu bestaunen, dem 2012 eröffneten Willi-Hellermann-Museum. Dessen Geschichte ist mindestens so kurios wie seine Bewohner.
Mehr als 1500 Tierkörper hat Willi Hellermann, gelernter Schlosser – und leidenschaftlicher Autodidakt in Sachen Glasaugen und Holzwolle – im Laufe seines Lebens präpariert und in den diversen Kellerräumen seines Privathauses in Hagen am Teutoburger Wald gehortet. „Viel mehr“, sagt Wolfgang Pieper, lächelt anerkennend – und seufzt tief. Pieper, ehemaliger Vorsitzender der Kreisjägerschaft Steinfurt-Tecklenburg und heutiger Museumsdirektor, verbindet eine lange gemeinsame Zeit mit seinem inzwischen verstorbenen Jagdgenossen Willi Hellermann.
Noch zu Lebzeiten hatte Hellermann seine stattliche Sammlung von überwiegend heimischen Fell- und Federträgern der Kreisjägerschaft Steinfurt-Tecklenburg gestiftet. „Mit der Verpflichtung, alle Exponate der Öffentlichkeit zu präsentieren“, berichtet Pieper. „Wohlgemerkt: alle. Auch sämtliche Doubletten“, ergänzt Ulrich Steinmann, Leiter des Hegerings Lotte-Wersen, einem von insgesamt 25 Hegeringen, die zusammen die Kreisjägerschaft mit mehr als 3000 Mitgliedern bilden.
Als Hellermann im August 2018 im Alter von 92 Jahren verstarb, kamen noch einmal um die 200 weitere Arbeiten aus seinem Nachlass dazu. „Ein einzigartiger Schatz“, wissen Pieper und Steinmann. Den zu hegen und zu pflegen sich allerdings als Ehre und Bürde zugleich entpuppte: Denn außer dem personellen Aufwand, den die Waidmänner ehrenamtlich unter sich aufteilen, sei es die größte Herausforderung gewesen, eine ausreichend große, für die empfindlichen Exponate zuträgliche und zudem auch noch erschwingliche Bleibe für die Sammlung zu finden. „Dass die Leitung des Kraftwerks uns eine Fläche von etwa 520 Quadratmetern im ehemaligen Baubüro überlassen hat und unser Museum außerdem auch noch sponsert, ist ein echter Glücksfall“, sagt Pieper.
Alle vier Wochen – jeweils am ersten Sonntag eines Monats von 11 bis 17 Uhr – hat das Willi-Hellermann-Museum geöffnet. Und obwohl nur ein paar unscheinbare Hinweisschilder den Weg über das verschachtelte Werksgelände der RWE weisen, sind an diesem verregneten Nachmittag im Februar doch allerhand Besucher gekommen, um sich eine der ungewöhnlichsten Sammlungen im Kreis Steinfurt – und womöglich sogar darüber hinaus – anzusehen.
Museumsdirektor Pieper wirft einen schnellen Blick auf den Parkplatz: „Da sind sogar Fahrzeuge aus Hamburg und Siegen dabei“, freut er sich über die überregionale Strahlkraft der in Ibbenbüren konservierten Diversität. Zu den ersten Gästen nach der Eröffnung des Hauses im April 2012 habe eine Gruppe aus Rheinland-Pfalz gezählt, erinnert er sich, die mit einem eigens angemieteten Bus bis nach Westfalen gereist sei. Manchmal, gesteht Pieper und schmunzelt tapfer über die eigenen Bedenken, beschleiche ihn das Gefühl, dass das Museum in der Ferne bekannter sei als im Tecklenburger Land selbst.
Zwischen simulierter Nordseeküste und Hochgebirgspanorama, Wänden voller Greifvögeln, Möwen und Enten, flanieren interessierte Senioren, wissbegierige Jugendliche und junge Familien. Während sich die meisten Naturfreunde viel Zeit lassen, um die liebevoll gestalteten Dioramen und Themenbereiche aufmerksam zu betrachten, flitzen Tom (4 Jahre) und Paul (2) eilig von Raum zu Raum: Wo hat sich denn bloß die Ente versteckt, die auch Suppe essen kann? Und vor allem: Wie heißt sie? Vater Björn Pötter aus Lotte hechtet seinem Nachwuchs hinterher und assistiert als Vorleser und Wissensvermittler bei der kurzweiligen Museums-Rallye. Schließlich ist er ein Jäger – und kennt sich aus. Auch mit Löffelenten.
Neben Führungen und verschiedenen Museums-Rallyes für Kinder und Jugendliche bietet der „Förderkreis Lernort Natur Steinfurt“, der in Zusammenarbeit mit der Kreisjägerschaft das Willi-Hellermann-Museum, Schwarzer Weg 25, in Ibbenbüren betreibt, auch Termine außerhalb der regulären Öffnungzeiten an. Schulklassen, Vereine und andere Gruppen ab zehn Personen können bei Wolfgang Pieper unter Telefon 05454 386 Termine vereinbaren. Erwachsene zahlen drei, Jugendliche einen Euro. Für Kinder bis zehn Jahre ist der Eintritt frei. Gruppen erhalten Ermäßigung.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 05. Februar 2020)