Wenn Uwe Heynemeier seinen Lieblingsplatz betritt, ist nichts mehr echt. Nicht mal er selbst. Nur das Lampenfieber, das den Laiendarsteller vor jedem Auftritt packt, fühlt sich wirklich an.
Sobald der Vorhang des Ibbenbürener Quasi So-Theaters zur Seite schwebt, ist Uwe Heynemeier nicht mehr Uwe Heynemeier, seine Zweifel verwandeln sich in Leidenschaft – und die Bühne der Schauburg, vor wenigen Herzschlägen noch die Einflugschneise zur Hölle, wird für den Westerkappelner zum schönsten Ort überhaupt.
Ob als zwielichtiger Zuhälter im Musical Rent (2014) oder als spießiger Mal Beineke in der Addams Familiy (2016), der mit einem furiosen Luftgitarrensolo die eigenen Konventionen sprengt, – seit Uwe Heynemeier 2012 zum ersten Mal auf der Quasi So-Bühne stand, damals noch als anonymer Chorsänger bei der Musical Gala, hat der Westerkappelner nicht nur die Spielfreude für sich entdeckt, der ausgebildete Sänger entwickelt sich auch als Schauspieler konsequent weiter. Derzeit probt der 51-Jährige, der jenseits aller Fiktion ein geordnetes Leben als zweifacher Familienvater, Berufsschullehrer, Mitglied des katholischen Kirchenchores Westerkappeln und Hobbyimker führt, mit seinen Kollegen Marjory Hagenbeck, Ansgar Kuper und Thomas Wieschebrock die Komödie „Dinner for One – wie alles begann“, Premiere am 18. März 2020. Heynemeier spielt darin jenen bedauernswerten Regisseur, der das verschrobene Schauspielerpärchen Elvira und Klaus für die Rolle des Silvesterklassikers castet. Was sich – der erfahrene Theaterbesucher ahnt es bereits – als ausgemachte Katastrophe entpuppt. Situationskomik, gepfefferte Dialoge und jede Menge Wortwitz sind garantiert. „Noch bin ich ganz entspannt“, grinst Heynemeier fröhlich.
Aber noch befindet sich die kleine Truppe ja auch in der Phase der Rollenfindung. „Gerade lesen wir das Stück gemeinsam“, beschreibt Regisseur Thomas Wieschebrock den Prozess, „dabei entstehen die ersten Bilder im Kopf – und wir entwickeln nach und nach eine Idee dafür, wie die Figuren angelegt werden können.“ Erst später kämen dann Mimik und Gestik dazu und die Choreografie der Wege, die jeder auf der Bühne zurücklegt. Je näher die Premiere heranrückt, desto konkreter wird es: Kostüme, Requisiten, Kulisse, Generalprobe und endlich: Vorhang auf! Uwe Heynemeier schluckt, lächelt tapfer und stellt mit betont ruhiger Stimme fest: „Entweder man macht so etwas genau einmal und dann nie wieder – oder man bleibt dabei.“ Was hält ihn? „Die tollen Leute, die man hier kennenlernt und mit denen man zusammenarbeitet, die vielen unterschiedlichen Charaktere“, braucht er nicht lange zu überlegen, „das beeindruckende Engagement der Ehrenamtlichen, die herzliche Atmosphäre untereinander, das Gewusel, wenn es hier zugeht wie in einem Bienenschwarm – und natürlich: der Applaus am Ende der Aufführung.“
Beifall hat der Laienschauspieler inzwischen schon reichlich genossen: Ausgerechnet in seiner persönlichen Lieblingsoperette Im weißen Rößl wurde er 2013 für die Rolle des Doktor Otto Siedler ausgewählt. „Das war mein erster großer Solopart und mein Einstieg in die Theaterwelt“, blickt Heynemeier zurück, „ich weiß noch genau wie ich dachte: Das isses!“ In dem Bergbau-Musical Schwarzes Gold trat er 2018 insgesamt 20 Mal als Bergwerksdirektor Doktor Jochen Lobsinger auf. „Das war die Rolle, die mich bisher am stärksten berührt hat“, gesteht der Freizeitmime, der selbst einige Jahre als Industriemechaniker unter Tage tätig war. Und in Das Sams (2018) habe er den Papa Taschenbier nicht nur gespielt, versichern seine Kollegen: „Er war Papa Taschenbier.“ Sehr zur Freude der vielen jungen Besucher, die ihn sogar um Autogramme gebeten hätten. Uwe Heynemeier schaut bescheiden in die Ferne und schmunzelt versonnen vor sich hin. „Wenn man nach der Vorstellung die Zuschauer mit einem Lächeln auf dem Gesicht nach Hause gehen sieht“, sagt er, „dann weiß man, dass man nicht alles falsch gemacht hat.“ Und für einen kurzen Moment verschmelzen Fiktion und Realität in seinem Blick zu einer himmlischen Einheit aus Glück und Zufriedenheit.
Zur Sache: Quasi So-Theater
„Wir sind die Hummel, die nicht fliegen kann, es aber trotzdem tut – und das schon seit Jahren“, verweist Ute Stöttner, Geschäftsführerin des Quasi So-Theaters, auf das ehrenamtliche Engagement der freien Amateurtheatertruppe. Gänzlich ohne die Unterstützung durch öffentliche Fördermittel finanziere sich das Haus fast ausschließlich über die Einspielergebnisse, die Mitgliedsbeiträge des Theatervereins und, zu einem kleinen Teil, über Vermietungen, Spenden und Sponsoring. 2005 hat der drei Jahre zuvor gegründete Theaterverein, der heute etwa 650 Mitglieder umfasst, davon rund 100 aktive, die Schauburg, ein ehemaliges Kino im Herzen von Ibbenbüren, in Eigenregie übernommen. „Und dann wir haben angefangen, wilde Dinge zu tun“, sagt Stöttner. Das Gebäude wurde komplett renoviert – unter anderem wurde der Bühnenboden erneuert, die 343 Sitze für das Publikum aufgepolstert und eine Tischbestuhlung auf der Empore eingerichtet. Der Spielplan bietet sowohl Sprechtheater als auch modernes Musical, ein klassisches Musikprogramm sowie Kinder- und Jugendstücke. Mehr Informationen auf www.quasiso.de.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 08. Januar 2020)