Zwischen Kerzenlicht und Käsekuchen – die Zukunft?

Im Paradies für Vollkornfreunde: Angelika und Walburga sind nicht nur, aber doch auch ein bisschen wegen der rustikalen Brötchen und Brote da, frisch von Bäcker Knuf aus Voltlage. Fotos (5): Ulrike Havermeyer

Nachhaltig einkaufen? Einen Treffpunkt schaffen, an dem sich alle wohlfühlen? Den Gemeinschaftssinn stärken und sich zusammen mit anderen für seinen Wohnort einsetzen? Ob sich der noch bis zum 20. Dezember 2019 versuchsweise betriebene Bioladen plus Café tatsächlich als Wendepunkt in der bisher eher mau verlaufenden Entwicklung ihres Ortskerns erweist, entscheiden die Westerkappelner nun selbst. Finden sich mindestens 150 Mitstreiter, die per Unterschrift signalisieren, dass sie als Mitglieder eines noch zu gründenden Trägervereins das Angebot unterstützen, könnte sich das Projekt womöglich realisieren lassen.

Elli und ihre Tochter Monika sind gespannt darauf, ob das Café – so es denn kommt – im Sommer wohl eine Außenterrasse einrichten wird.

Der Biokaffee, den die ehrenamtlichen Helfer im provisorisch hergerichteten Werkstattcafé ausschenken, schmeckt super – das sagen sogar die Skeptiker. Und ja, als Fair-Trade-Gemeinde stünde Westerkappeln ein ökologisch geprägtes Vollsortiment – inklusive Biobackwaren und saisonale Produkte aus der Region – gut zu Gesichte. Aber wie groß ist das Interesse der Bürger wirklich, den „Rest von Eden“ – so der Name für den angedachten Trägerverein und den Bioladen – dauerhaft am Kirchplatz zu etablieren? Zwischen Kerzenlicht und Käsekuchen wird seit dem 1. Dezember täglich von 15 bis 17 Uhr eifrig diskutiert. 150 Unterschriften wären ein klares Zeichen, welchen Weg die Westerkappelner einschlagen wollen.

Rund drei Dutzend ehrenamtliche Helfer kümmern sich vor und hinter dem Tresen um die Gäste. An diesem Nachmittag servieren Manuela, Andreas und Petra den Kuchen.

„Die Idee mit dem Café ist gut “, sagt Erika und blickt sich um: Die hohen, hellen und ebenerdig gelegenen Räume des ehemaligen Fahrradgeschäftes mitten im Ortskern bieten mit ihren großen Fensterflächen eine gute Sicht auf das Geschehen draußen, die Tische sind liebevoll dekoriert, der Kuchen mundet vorzüglich. „Das könnte was werden“, orakelt die 74-Jährige, die an diesem Samstagnachmittag zusammen mit ihren Nachbarinnen Edeltraut (78) und Wilma (86) aus Düte hergekommen ist: „Sonst gibt’s ja auch eigentlich nichts in Westerkappeln.“ Aber ob so ein Laden hier im dahin siechenden Ortskern überhaupt angenommen würde?

„Also das muss ich jetzt erst mal sacken lassen.“

Der Hinweis, dass die Zukunft dieses Versuchsballons letztlich jeder Westerkappelner selbst – also auch sie – in seiner Hand habe, veranlasst die Seniorin zu weiterführenden Gedanken: Sich für eine Mitgliedschaft entscheiden? 20 Euro Monatsbeitrag zahlen, dafür aber auf alle angebotenen Bioprodukte einen Nachlass von zwanzig Prozent bekommen? Unabhängig von einer Mitgliedschaft könne auch eine Einlage in Höhe von 250 Euro gezeichnet werden, heißt es auf einem der Infoblätter. „Also das muss ich jetzt erst mal sacken lassen“, sagt Erika, wirkt aber durchaus nicht abgeneigt. Vielleicht unterschreibe sie ja tatsächlich, sinniert sie – bei ihrem nächsten Besuch. Denn wiederkommen wollen die drei Damen aus Düte auf jeden Fall. „Dann bringen wir aber noch ein paar mehr Leute als Verstärkung mit“, verkündet Wilma mit energischer Stimme, „wir müssen ja nun wohl Reklame machen für unser Café.“

Thomas und Sylke aus Mettingen (links) könnten sich vorstellen, auch mit dem Rad zum Bioladen zu fahren. Als Westerkappelnerin hat Dorothee es nicht so weit.

Während am Düter Tisch angeregt schwadroniert wird, hat sich das Café weiter gefüllt. In den anderen Gruppen geht es um Gemüsekisten und bürgerschaftliche Verantwortung, um Klimaschutz, Lebensqualität und ein wachsendes Wir-Gefühl. Zwischen 30 und 50 Besucher pro Tag hat Mitinitiator Jörg Oberbeckmann bisher gezählt – „eine sehr, sehr positive Bilanz“, freut er sich. Die Leute verabredeten sich im Café, um sich bei einem Pott Kaffee und einem Stückchen Kuchen nett zu unterhalten. Viele interessierten sich für die Ausstellung des Heimatvereins mit den historischen Dorfansichten ebenso wie für das Angebot des Eine-Welt-Ladens. Auch das angestrebte Konzept eines mitgliedergeführten Bioladens sei immer wieder Thema. „Man spürt, dass eine Menge in Bewegung geraten ist“, sagt Oberbeckmann. Zettel für Zettel füllt sich die Sammelbox mit den Mitgliedsanträgen, die überall im Café ausgelegt sind. Ob es am Ende reichen wird? „Das ist die spannende Frage“, sagt Oberbeckmann und lächelt tapfer.

„Das hier ist wirklich ein sehr schöner Ort.“

Auch am Montag brummt das Werkstattcafé munter vor sich hin. Beinahe sämtliche Tische sind besetzt, die Stimmung ist herzlich, die Gesprächslage rege. Man entdeckt ein paar bekannte Gesichter aus der vergangenen Woche, aber auch etliche Neuankömmlinge sind da, von denen sich die meisten hier schnell wie zuhause zu fühlen scheinen. „Als junge Mutter mit kleinem Kind weiß man in Westerkappeln oft gar nicht, wo man sich mit anderen Müttern treffen und austauschen soll“, sagt Nadja, „aber das hier ist wirklich ein sehr schöner Ort, eine echte Alternative zu den üblichen Bäckereicafés.“ Zusammen mit ihren Freundinnen Anne und Anika plaudert Nadja entspannt über dies und das, während der Nachwuchs der drei – Ole, Joost und Romy – friedlich im Kinderwagen oder im Maxi-Cosi vor sich hin schlummert. Harmonisch untermalt wird die friedliche Szene von Michael Marfels. Der sorgt an diesem Nachmittag mit seiner klassischen Gitarre für „spanische konzertante Musik“, wie er erläutert. Ehrenamtlich, versteht sich.

Während Nadja, Anne und Anika entspannt plaudern, sorgt Michael Marfels für die passende musikalische Untermalung.

Am Freitag, 13. Dezember 2019, werden die Ochtruper Mittwinterhornbläser erwartet, die von 15.30 bis 16.30 Uhr eine ganz spezielle weihnachtliche Atmosphäre verbreiten wollen. Und in der folgenden Woche ist eine Bastelaktion für Kinder geplant. Wer sich ebenfalls aktiv mit einbringen wolle – ob als Märchenvorleser, Caféhausmusiker oder mit einer anderen Idee – sei herzlich willkommen, freuen sich Jörg Oberbeckmann und das Team des Werkstattcafés über jede Unterstützung. Gerne auch in Form weiterer Unterschriften…

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 11. Dezember 2019)