Mit zhn fingetn zu sxhreiben ist gar micht so leict. Aber der Crashkurs Tastschreiben der VHS Lengerich hat meinen Ehrgeiz geweckt. Noch komme ich mit der altbewährten Adler-Strategie zwar besser zurecht – beide Zeigefinger kreisen über der Tastatur, sobald das Ziel erspäht ist, stößt einer der Finger zu. Aber wie so oft dürfte der Weg zur Perfektionierung nur über das Üben führen.
Ja, es mag verwundern, aber die meisten – nein, tatsächlich alle Texte, die ich je auf einer Schreibmaschine oder am PC geschrieben habe, sind mit zwei Fingern getippt. Linker Zeigefinger. Rechter Zeigefinger. Als ich von der Premiere der Volkshochschule Lengerich lese, interessierten Personen das Zehn-Finger-Tastschreibverfahren erstmals in einem kompakten Tagesseminar zu vermitteln, fasse ich mir ein Herz. Ob Kursleiterin Marion Brüning mir dabei helfen kann, meine Schwächen zu überwinden?
Im Job nicht abgehängt werden
Einigermaßen erleichtert stelle ich fest, dass ich nicht die Einzige bin, die sich in der Blüte ihres Lebens in die unwägbaren Gefilde einer neuen Schreibtechnik wagt: Knapp die Hälfte der etwa ein Dutzend Teilnehmer ist über 50 Jahre, die andere Hälfte durchweg unter 20. Die einen wollen im Beruf nicht abgehängt werden, die anderen gleich von Beginn an in ihrer Ausbildung oder im Studium von einer effizienten Fingerfertigkeit profitieren. Die nächste Überraschung für mich: Das Geschlechterverhältnis im Kurs ist nahezu ausgeglichen.
„Lösen Sie sich von allem, was und wie sie es bisher gelernt haben“, stimmt Marion Brüning uns auf die Methode des multisensorischen Lernens ein, „wir werden mit Farben, Bildern und Geschichten arbeiten und immer wieder beide Gehirnhälften einbeziehen.“ Sie wende diese Technik seit etwa zehn Jahren an, berichtet die EDV-Fachfrau, und zwar durchweg erfolgreich. Den zu lernenden Stoff, der sich sonst auf vier bis sechs Tage verteile, müssten wir in diesem Crashkurs allerdings – zwar verschlankt ohne Ziffern und Sonderzeichen – in nur sechs Stunden aufnehmen. „Das erfordert viel Konzentration, aber das schaffen wir“, spornt sie uns mit kämpferischer Zuversicht an.
Mehrfach im Gehirn hinterlegt
Los geht es mit der Grundstellung der linken Hand – den kleinen Finger auf das A, den Ringfinger auf das S, Mittelfinger auf D, Zeigefinger auf F, der Daumen liegt locker auf der Leertaste. Zusätzlich zu seiner festen Ausgangsposition bekommt jeder Finger eine Farbe zugewiesen: Grün für den kleinen Finger, gelb für den Ring-, blau für den Mittel-, rot für den Zeigefinger und weiß für den Daumen. Um das Griffsystem noch anschaulicher zu gestalten, wird jeder Buchstabe zusätzlich mit einem Bild verknüpft: Das A steht für den Anker, das S für die Sonne, D für Delfin und F für Flugzeug. Damit das Gelernte an möglichst vielen Stellen im Gehirn hinterlegt wird, werden diese Bilder zu guter Letzt zu der fröhlichen Geschichte „Urlaub auf dem Boot“ zusammengefügt, die sich jeder von uns leicht einprägen kann. Und dann heißt es: „Sxhreigem, sxhreiben, schreibeb…“
Nun besteht das Alphabet allerdings nicht nur aus vier, sondern einschließlich der Umlaute und des ß aus sage und tippe 30 Buchstaben. Soll heißen: Acht buntgedachte Finger in Aktion, 30 Griffwege, die es sich zu merken gilt, 30 Bilder, die zugeordnet und erinnert werden müssen sowie zwei lange Geschichten – eine für die rechte, eine für die linke Hand, die uns dabei helfen sollen, die richtigen Tasten zu treffen. Und das alles natürlich: im Blindflug! „Das ist schon ein strammes Programm“, tröstet uns Marion Brüning und schüttet gleich noch eine ordentliche Prise Motivation nach: „Sie machen das prima.“ Zwischendurch sorgt sie mit Lockerungs- und Konzentrationsübungen dafür, dass unsere Muskeln sich nicht verkrampfen und unsere Gedanken sich nicht aus dem Seminar verabschieden.
„Morgen Kinder wird’s was geben“
Die ungezählten Übungen, Rätsel und Spiele, die wir im Laufe dieses Tages – überwiegend online – absolvieren, sind angenehm abwechslungsreich, und die Stimmung in der Gruppe ist von solidarischer Heiterkeit geprägt. Das Lernen des Zehn-Finger-Verfahrens – zumal im Schnelldurchlauf – erweist sich dennoch als anspruchsvoll, macht aber zugleich auch unerwartet viel Spaß. Als ich meinen ersten halbwegs lesbaren Satz auf dem Bildschirm vor mir fabriziere, fühle ich mich genauso stolz wie damals in meiner Kindheit, als ich zum ersten Mal „Morgen Kinder wird’s was geben“ zweihändig auf dem Klavier gespielt habe. Noch holperig zwar, aber doch voller Hoffnung.
„Das ist jetzt Ihre Chance“, gibt Marion Brüning uns am Ende des Seminars mit auf den Weg. „Wenn Sie jetzt am Ball bleiben und Üben, werden sich Ihre Sicherheit und Ihre Geschwindigkeit schnell von ganz alleine verbessern.“ Nun denn, die Herausforderung ist definiert. Indem ich sie annehme, muss ich meine beiden adlerhaften Zeigefinger, die da ruhig und zielsicher über der Tastatur schweben, nun allerdings mit einigen Umstellungen in ihrem Buchstabenrevier vertraut machen… Vielleicht stelle ich dann ja schon bald fest, dass mit zehn Fingern zu schreiben doch viel leichter ist als zunächst gedacht.
Weitere Informationen über das multisensorische Erlernen des Zehn-Finger-Tastschreibverfahrens gibt es auf www.tastschreiben-heute.de.