Die derben Wanderstiefel angezogen. Arbeitshandschuhe nicht vergessen. Und natürlich: Eine dicke Jacke – es ist ja schließlich November. Jetzt aber nichts wie los, denn ich bin zu zeitiger Morgenstunde mit der Naturschutzjugend der Arbeitsgemeinschaft Naturschutz Tecklenburger Land (ANTL) verabredet: An einem abgelegenen Amphibientümpel in der Bauerschaft Sennlich mitten in einem verwaldeten Gebüsch treffe ich Henrike und Katja, Simon, Malte und Hannes. Ihre roten Schutzhelme leuchten mir durchs Unterholz entgegen.
„Ein natürlicher Prozess“
Ohne die Hilfe der Jugendlichen wären Grasfrosch, Erdkröte und Co. auf der kleinen Parzelle der evangelischen Kirchengemeinde ziemlich aufgeschmissen. „Das ist ein ganz natürlicher Prozess, dass das hier alles wieder zuwächst“, schnauft Friedhelm Scheel, stellt die Motorsäge ab, befreit sein Gesicht vom Visier des Helmes und kämpft sich über herumliegende Äste und Zweige bis zu seinen Leuten durch. „Aber für die Amphibien ist das problematisch“, erläutert der versierte Leiter der engagierten Truppe. Denn die aufschießenden Pappeln und Birken sorgen für ungewollten Schattenwurf auf der Oberfläche des beschaulichen Tümpels. Die Folgen: Das Wasser erwärmt sich nicht mehr so schnell, was die Entwicklung des Frosch- und Krötenlaichs im Frühjahr beeinträchtigt. Zudem wirkt das herabfallende Laub wie ein lästiges Düngemittel auf den geschützten Lebensraum: Ein langfristiges Zuviel an Nährstoffen hätte zur Folge, dass sich Algen und andere Pflanzen unkontrolliert vermehren. Dadurch würde das empfindliche Gleichgewicht des kleinen Gewässers gestört und der Weiher womöglich nach und nach verlanden.
Handwerkliches Knowhow
„Aaaaaachtung – Baum fällt!“ Stille. Scheels ANTL-Kollege Jörg Lehmkühler äugt skeptisch zur Spitze einer etwa zehn Meter hohen Pappel hinauf, deren Stamm er gerade sauber vom Stumpf getrennt hat. Schweigende Unbewegtheit. „Baum fällt doch nicht.“ Henrike Feldkämper (18 Jahre) und Katja Weber (17), Simon Oberbeckmann (16), Malte Bergmann (14) und Hannes Veerkamp (18) nicken einander zu. Manche von ihnen ziehen schon seit vier Jahren mit Friedhelm Scheel durch die Wälder und Moore, Obstwiesen und Vogelbrutgebiete der Region – und haben dabei jede Menge Kenntnisse über ökologische Zusammenhänge, aber auch ein gerüttelt Maß an handwerklichem Knowhow angesammelt: Einem erfahrenen Naturschützer ist nur noch Weniges fremd. In weiser Voraussicht haben die Fünf, noch bevor Jörg Lehmkühler seine Motorsäge angesetzt hatte, ein Seil um den Baumstamm gelegt. „Zuuuu – gleich!!!“ Mit vereinten Kräften ringen wir den hölzernen Froschbeschatter in die Waagerechte nieder: Krawumms!
Sicher ist sicher
Jeder Handgriff zeugt von Routine: Simon und Hannes platzieren den „Lock Jack“ unter dem Stamm, damit sich das Holz ein gutes Stück vom Boden hebt – so kann Jörg Lehmkühler es besser in handliche Stücke zerkleinern: Brennmaterial für den Grundstücksbesitzer. Während Henrike das Seil bereits an der nächsten Birke befestigt – sicher ist sicher, stapeln ihre Mitstreiter die dickeren Scheite am Rand der Parzelle auf. „Naturschutz bedeutet oft auch harte Arbeit“, sagt Katja und betrachtet die rund zwanzig jungen Bäume, die dem Amphibientümpel allein auf dessen Südseite noch immer zu Leibe rücken. Ich spüre, wie das warme Blut unter meinen geröteten Wangen pulsiert und bekunde kurzatmig meine Zustimmung. „Aber wir würden es ja nicht tun, wenn es uns nicht gleichzeitig so viel Spaß machen würde“, betont die 17-Jährige.
Erfolgreiche Nachwuchsaquise?
Als sich nur noch das üppige Gerippe der Pappelkrone im Laub türmt, ist das der Einsatz für Max Richter (12) und Nika Pohlmann (13) – ihres Zeichens Konfirmanden und Jäger. Jäger? Die beiden emsigen „Schöpfungsschützer“ wischen sich den Schweiß von der Stirn und erklären dann: „Wir sind auf der Jagd nach Stempeln für unseren Konfirmanden-Pass.“ Friedhelm Scheel nickt anerkennend: „Die Jungs machen prima mit – und kriegen ihr soziales Engagement selbstverständliche bestätigt.“ Worin besteht ihre Aufgabe? Max und Nika deuten keuchend auf einen beachtlichen Totholzstapel im Hintergrund. „Wir schichten die kleineren Zweige, die sich nicht als Brennholz eignen, zu einer Hecke auf – als Unterschlupf für die Tiere.“ Ist ein Ast zu sperrig, schnappen sie sich eine der Handsägen. Ab und zu klappt Friedhelm Scheel sein Visier hoch, sieht den beiden aus einiger Entfernung zu – und lächelt zufrieden: Etwa ein Fall von erfolgreicher Nachwuchsakquise für den regionalen Umweltschutz?
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 11. 2014; Westfälische Nachrichten, 11. 2014)