Was die rund 40 Sängerinnen und Sänger, von denen einige schon seit der Gründung des Philharmonischen Chors vor 31 Jahren dabei sind, ausmacht? Chefdirigentin Ji Kyung Lee überlegt nicht lange: „Die meisten Mitglieder haben sehr viel Erfahrung“, sagt sie, „sie lernen sehr schnell, beobachten mich gut“ – eine kurze Pause des Nachdenkens, ein herzliches Lächeln – dann weist Lee nicht ohne Stolz auf die aus Dirigentensicht vielleicht wichtigste Eigenschaft ihrer Schützlinge hin: „Sie lassen sich gut von mir führen.“
Was die studierte Kirchenmusikerin damit meint, daran lässt die Praxis keinerlei Zweifel: Sobald die quirlige Koreanerin die Tastenklappe des Klaviers geöffnet hat und ihre Chefinnen-Position einnimmt, verstummen sämtliche Plaudereien, die Chormitglieder rücken zielstrebig auf die Arbeitsbereitschaftskante der Bestuhlung vor, die Haltung aufrecht, die Blicke konzentriert auf die Chorleiterin gerichtet. So sieht Leistungsbereitschaft aus.
„Singen in einem solchen Chor ist ein sehr spannendes Hobby“, freut sich Charlotte Wilgen nicht nur auf die kommenden zwei Stunden Probenzeit, sondern auch auf deren finales Ergebnis: den Auftritt bei den Quakenbrücker Musiktagen. „Auf dieses gemeinsame Ziel hinzuarbeiten, bringt einen auf andere Gedanken“, sagt die Rechtsanwältin, die seit gut zehn Jahren im Sopran dabei ist. Und auch ihre Sitznachbarin Franziska Pohlers, Integrationsbeauftragte in Elternzeit, kann dem von Ji Kyung Lee angestrebten hohen Niveau der Darbietung viel abgewinnen: „Genau wegen dieses musikalischen Anspruchs habe ich mich vor drei Jahren für den Philharmonischen Chor entschieden.“
„Zwei, drei, vier, eins, und – !“
Charlotte Wilgen streift ihre Fleece-Jacke ab. Nach den obligatorischen Aufwärm- und Stimmübungen geht es schnörkellos mitten hinein in den Lobgesang von Felix Mendelssohn Bartholdy. Ji Kyung Lees Finger fliegen über die Tastatur: „Alles was Odem hat – zwei, drei, vier, eins, und – !“, gibt sie mit viel Verve und mitreißender Leidenschaft den Einsatz. Sopran, Alt, Tenor und Bass legen los. „Der Alt nicht so zögernd!“, fordert Lee, setzt sogleich mit einer überraschend tragenden Stimme, die man einer so zarten Person nicht ohne Weiteres zugetraut hätte, ein, um die angestrebte Intonation zu verdeutlichen. Die Altstimmen nicken ergeben und probieren es erneut. „Viel besser“, lobt die Dirigentin und wendet sich energisch wieder der Gruppe zu: „Gleich weiter, nächste Stelle: Lobe den Herrn meine Seele!“ Sie schnipst, zählt, spielt die ersten Takte auf dem Klavier, singt – Sopranmelodie, Alt, Tenor, Bass –, sie fordert auf, spornt an und die Sänger geben alles!
Fünf Minuten Pause gönnt Lee dem Chor in der Probenhalbzeit. Gerade Zeit genug für Rudi Rump, der durch seine Frau Brigitte zum Philharmonischen Chor gefunden hat, seine Motivation zu erläutern: „Die Freude an der Musik, der Spaß an der Gemeinschaft – und dann natürlich das Streben nach Vollendung.“ Er wiegelt kurz ab und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Sonst bräuchten wir ja gar nicht zu üben.“ Und das, soviel steht fest, wäre für die Sängerinnen und Sänger des Philharmonischen Chors ein echter Verlust an Lebensqualität.
(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 26. Oktober 2019)