Vielleicht hat Mini-Shetland-Pony Merlin ja wirklich magische Kräfte. Der vierjährige Henri hält das zumindest nicht für ausgeschlossen. Denn seit der selbstbewusste Wallach auf dem Biobauernhof von Henris Eltern Johanna und Marcel Hackmann in Westerkappeln eingezogen ist, sind dort – wie von Zauberhuf – lauter neue Lieblingsplätze entstanden.
So verwandelt sich etwa der Garten der Familie Hackmann regelmäßig in eine bunte Manege, wenn der pfiffige Vierbeiner, angeleitet von Zirkusdirektorin Johanna Hackmann, lustige Tricks vorführt. „Er kann sich auf Kommando hinlegen, Küsschen geben oder steigen“, gibt die 31-Jährige einen Einblick in das künstlerische Repertoire des vielseitigen Shetties. Oder Merlin mutiert kurzerhand zu einem bärenstarken Kutschpferd und zieht kleine und große Pferdenarren im Marathonwagen durch die Bauerschaft. Doch besonders magische Momente entstehen immer dann, wenn der dunkelbraune Wallach sich in Super-Merlin verwandelt und gemeinsam mit Henri durch dessen Phantasie fliegt.
Hofgenosse mit zauberhaften Talenten
Johanna Hackmann schmunzelt, als ihr Sohn mit leuchtenden Augen von den ungewöhnlichen und wahrlich zauberhaften Talenten seines Hofgenossen erzählt. „Wir haben Merlin im vergangenen Herbst gekauft“, erläutert die selbstständige Pferdephysiotherapeutin und Pferdeosteopathin, „damit unsere Kinder lernen, wie sie verantwortungsvoll mit Tieren umgehen.“ Und wer Henri dabei zusieht, mit welcher Selbstverständlichkeit und wie entspannt er sich gegenüber Merlin verhält, kommt nicht umhin festzustellen, dass das Konzept von Johanna Hackmann aufgeht. Zumal außer dem Shettie noch einige Großpferde, eine Herde munterer Bunte-Bentheimer-Bio-Landschweine, vier neugierige Hauskatzen und natürlich Leo, der wachsame Hofhund, zum Alltag von Henri und seinem kleinen Bruder Jonas gehören.
Allerdings stecken hinter den meisten Vertrautheiten zwischen Mensch und Tier, die für den Knirps wie Zauberei wirken mögen, handfeste Arbeit, viel Geduld und jede Menge fundierter Sachverstand. „So ein Pony kann man nicht einfach auf die Wiese stellen und sich selbst überlassen“, merkt Johanna Hackmann an. Gerade Mini-Shetties seien sehr intelligent und bräuchten ständig neue Anregungen, damit sie sich nicht langweilten und auf dumme Gedanken kämen. „Wenn ich ein paar Tage nicht mit Merlin trainiert habe“, sagt die Pferdefachfrau, „dann wird er richtig ekelig.“ Mit anderen Worten: Für Henri ist Merlin nur deshalb so ein zutraulicher und verträglicher Spielkamerad, weil Mutter Johanna den Vierbeiner angemessen beschäftigt und bei Laune hält. „Nur ein Kind und ein Pony miteinander – das funktioniert nicht“, sagt sie.
Rückwärts Einparken geht gar nicht…
Nur eine gestandene Reiterin und ein Pony – das reicht manchmal allerdings auch nicht. Ohne die Hilfe ihrer Freundin Christina Broxtermann, ebenfalls pferdeerfahren, hätte sie Merlin wohl nicht ans Kutscheziehen gewöhnen können, erinnert sich die Westerbeckerin an die mühsamen Anfänge des Einfahrens. „Merlin wollte sich zum Beispiel partout nicht rückwärts zum Anspannen vor die Deichsel führen lassen.“ Mit vereinten Kräften und vielen Leckerlis haben die beiden Frauen, die zuvor gemeinsam einen Lehrgang zum Kutschefahren absolviert haben, den eigensinnigen Vierbeiner schließlich Schritt für Schritt von den Vorteilen seiner neuen Aufgabe überzeugt. Seitdem sieht man das sportliche Gespann regelmäßig über die Nebenstraßen von Westerkappeln und Mettingen flitzen.
„Zuerst wollte Merlin am liebsten nur traben“, berichtet Johanna Hackmann amüsiert, „aber inzwischen hat er festgestellt, dass im Schritt zu gehen mindestens genauso angenehm ist.“ Während sie – die Leinen fest in der Hand – auf dem Kutschbock sitzt, genießen Christina Broxtermann und Henri von der Rückbank des Marathonwagens aus den Ausflug durch die sommerliche Landschaft. „Macht mir wohl Spaß“, kommentiert Henri die Landpartie mit einem vergnügten Grinsen. Noch schöner sei es aber, wenn er dem Pony dessen Zaubertrense mit den funkelnden Glitzersteinen aufsetzte – Henri hüpft vor lauter Begeisterung wie ein ungeduldiges kleines Känguru auf und ab, lächelt verschmitzt – dann platzt es auch schon aus ihm heraus: „Und dann steige ich in meinen Mäusesattel und fliege einfach so mit Super-Merlin durch die Luft!“
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 19.06.2019)