Mitten hinein ins nördliche Osnabrücker Land

Beeindruckende Fachwerkhöfe, ein solides Radwegenetz – der Osnabrücker Nordkreis, wie hier bei Ankum, ist touristisch betrachtet durchaus attraktiv. Fotos (11): Ulrike Havermeyer

Hat das nördliche Osnabrücker Land mehr zu bieten als den Quakenbrücker Renntag, die Artland Dragons und das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik? Um das herauszufinden, steigen mein Mann und ich auf unsere Fahrräder. Mit dem Artland Express, der als Sonderzug von April bis Oktober an jedem ersten Sonntag im Monat mehrmals zwischen Osnabrück und Ankum pendelt, wollen wir uns von Bramsche bis zur Endstation Ankum bringen lassen und von dort aus die Umgebung nach attraktiven Zielen durchforsten.

Zum ersten Mal im Artland Express: Mit erfreulich wenig Verspätung trudeln die beiden betagten Triebwagen der Weser Ems Eisenbahn, die noch aus den 1980er Jahren stammen, am Bahnhof Bramsche ein. Kaum hat sich die Tür geöffnet, empfängt uns – der Sommerhitze charmant trotzend – eine bemerkenswert gut gelaunte Zugbegleiterin, die nicht locker lässt, bevor wir ihr und ihrem nicht minder hilfsbereiten Kollegen gestatten, unsere Fahrräder in den Wagen zu wuchten. Drinnen werden kühle Getränke angeboten, die erfrischende Zugluft, die durch die aufgeklappten Fenster herein zischt, und die plüschpolstersitzige Retro-Atmosphäre, die sich zu duftigen Eisenbahnerinnerungen vergangener Kindertage mischt, gibt es zum Fahrpreis gratis dazu.

 

Ausstieg am Bahnhof in Ankum: Während ich voller Tatendrang mein Hollandrad in Startposition bringe, hat mein Mann seine ganz persönliche erste Sehenswürdigkeit bereits entdeckt und mit forschen Schritten zu Fuß erreicht. Auf einem Nebengleis ist die Dampfspeicherlok der Ankum-Bersenbrücker Eisenbahn GmbH abgestellt. Seiner Leidenschaft für alles Technische frönend, inspiziert er das Schätzchen mit Argusaugen. „Was man hier doch so alles findet…“, murmelt der Freizeitradler sichtlich verzückt.

 

Los geht’s – rauf auf den Radweg: Ein paar Meter holpern wir noch über das Kopfsteinpflaster des Bahnhofgeländes, dann aber rollen wir auch schon auf ebenen Asphalt, der uns die ganze Tour über begleiten wird. So viel sei an dieser Stelle schon mal festgehalten: Das Radwegenetz des nördlichen Osnabrücker Landes, soweit wir es an diesem Tag unter die Reifen bekommen haben, lässt nichts zu wünschen übrig – solide befestigt, breit angelegt, sehr gut vernetzt und tadellos ausgeschildert.

 

Artländer Dom: Im Vorbeiradeln werfen wir einen schnellen Blick auf das Ankumer Wahrzeichen: die im Zentrum der Stadt auf dem Vogelberg gelegene Pfarrkirche St. Nikolaus mit ihrem 79 Meter hohen Glockenturm, die unter dem Namen „Artländer Dom“ bekannt ist. Obwohl Ankum streng genommen gar nicht im Artland liegt, sondern zur Samtgemeinde Bersenbrück gehört, und die Kirche, weil sie nicht als Bischofssitz dient, gar kein echter Dom ist. Wie dem auch sei – beeindruckend ist das nach einem Brand neu errichtete und im Jahr 1900 wieder eingeweihte Gotteshaus, dessen Geschichte bis ins zwölfte Jahrhundert zurückreicht, allemal.

 

Bäckerei Berens: Eigentlich sind wir auf dem Weg zum Erholungsgebiet Ankumer See – aber da bemerke ich gleich hinter dem Kreisverkehr am Stadtrand die unwiderstehlich weit geöffnete Tür der Bäckerei Berens. An Orten, an denen sahnige Torten gezaubert werden, komme ich selten bis nie ohne spontanen Zwischenstopp vorbei… erst recht nicht, wenn es wie hier den womöglich fruchtigsten Erdbeerkuchen des Universums auf den Teller gibt. Dazu ein frisch gekochtes Tässchen Kaffee, einen freundlichen Plausch mit der netten Bäckersfrau – und die erste Rast und ein weiteres regionales Highlight sind perfekt.

 

Ankumer See: Nur etwa 300 Meter von der Bäckerei Berens entfernt wartet der Ankumer See auf uns. Wer am Gewässer entlang flanieren will, muss allerdings absteigen und seinen Drahtesel schieben. Sowohl auf der fleckenweise baumbeschatteten Rasenfläche und dem großzügig angelegten Spielplatz wie auch auf den benachbarten Tennisplätzen und der ufernah gelegenen Terrasse des See- und Sporthotels, die zum Auftanken und Verweilen einlädt, herrscht an sonnigen Sommertagen wie diesem munteres Treiben.

 

Aussichtspavillon: Uns zieht es weiter zu den Ausläufern der Ankumer Höhe nach Tütingen. Dort können Besucher vom Aussichtspavillon am Fuße des Krähenberges nicht nur einen Blick über die norddeutsche Tiefebene werfen, sondern zugleich auch Wissenswertes über die erdgeschichtliche Vergangenheit der Region erfahren. Doch noch liegt das hölzerne Rondell ein gutes Stückchen hügelaufwärts von uns entfernt. „Ich will ein E-Bike…“, murre ich schwächelnd, als ich mich auf meiner Drei-Gang-Möhre einen kurzen Abschnitt der insgesamt 330 Kilometer von Osnabrück nach Oldenburg führenden Straße der Megalithkultur hinauf kämpfe. Meine Klagen verhallen jedoch ungehört, denn mein Mann und sein treues Trekking-Bike haben längst unser nächstes Etappenziel 100 Meter über Normalnull erreicht. Endlich ebenfalls dort angekommen, lasse ich mich auf eine der Holzbänke fallen und verschnaufe, derweil mein Mann mit Interesse die diversen Info-Tafeln studiert. Noch gut gesättigt vom köstlichen Erdbeerkuchen verzichten wir auf eine Stärkung in der direkt gegenüberliegenden Gastronomie. „Nächstes Mal: Gasthaus Grüner Wald“, mache ich mir einen Vermerk in mein Notizheft.

 

Fachwerkgiebel und stolze Rösser: Einen guten Kilometer zurück Richtung Ankum, dann biegen wir auf eine einladende Nebenstraße ab, auf der wir bis nach Bersenbrück radeln. Links und rechts von uns breiten sich Wiesen und Äcker aus, gesäumt von alten Baumbeständen. Und immer wieder erinnern uns weidende Rösser daran, dass das nördliche Osnabrücker Land ein Pferdeparadies ist. Wohin wir auch schauen – Kulturlandschaft pur! Besonders angetan sind wir von den urigen Fachwerkhöfen, an deren oft filigran verzierten Giebeln wir uns gar nicht satt sehen können. Ein Kalenderbildmotiv folgt auf das andere… Mehr als tausend denkmalgeschützte Hofanlagen umfasst der Kulturschatz Artland und gilt damit als Aushängeschild der Bauernhofkultur in ganz Niedersachsen. Wer die bauhistorischen Kostbarkeiten des Nordkreises mit dem Rad erkunden will, dem sei die rund 65 Kilometer lange Giebeltour oder die gut 50 Kilometer lange Ackerschnacker Tour empfohlen.

 

Zwischenstopp in Bersenbrück: Puh – jetzt aber erstmal ein Eis! Mit Blick auf die vor Kurzem renovierte Klosterpforte – schon wieder ein Wahrzeichen – vernaschen wir die kühlen Kugeln und genießen das urbane Flair auf dem Bersenbrücker Marktplatz. Für einen Besuch im – ebenfalls frisch renovierten – Museum im Kloster bleibt uns an diesem Tag leider keine Zeit mehr. Aber getreu dem Paulchen-Panther-Motto „Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage“ setzen wir es auf unsere To-Do-Liste. Auf der stehen bereits: Softeis im Eiscafé Sich in Ankum testen, Steingräberweg Giersfeld erkunden, Abschnitt der Hase-Ems-Tour erradeln, Biologische Station Haseniederung am Alfsee und den Alfsee selbst besuchen – und so einiges mehr…

 

Abfahrt am Haltepunkt Alfhausen: Ein spannender Ausflug neigt sich dem Ende – mein Mann und ich sind als eher untrainierte Gelegenheitsradler überrascht, wie gut wir die rund 25 Kilometer in etwa vier Stunden –inklusive Pausen! – (Ankunft am Bahnhof Ankum um 14:08 Uhr, Abfahrt in Alfhausen um 18:09 Uhr) bewältigt haben. Unser Fazit: Wer nicht als Kampf-Radler geboren ist und nach der Devise „Der Weg ist das Ziel“ die komplette Strecke von Osnabrück bis Ankum autark zurücklegen will, für den bietet der Artland Express eine optimale Lösung, das nördliche Osnabrücker Land unverbraucht zu entdecken. Und spätestens als wir im letzten Zug ab Alfhausen die Heimreise antreten, auf unsere Plätze sinken und die freundliche Zugbegleiterin uns mit Kaltgetränken versorgt, beschließen wir, das Abarbeiten unserer „To-Visit-Liste“ nicht auf die lange Plüschbank zu schieben.

(Erschienen auf www.osnabruecker-land.de/blog)