Ich bin zufrieden, wenn mein Auto fährt, die Kaffeemaschine brodelt und das Smartphone kommunikationsbereit ist. Warum und wie die Dinge funktionieren – oder eben auch nicht funktionieren – weiß mein Mann. So kann es nicht weitergehen!
Als emanzipiertes Wesen könnte ich mich – rein theoretisch – natürlich mit allem beschäftigen, was die Welt zu bieten hat: Verbrennungsmotoren. Quantenmechanik. Soziale Medien. Für Freigeister jedweden Geschlechts ist kein Thema tabu. Dass ich von den gefühlten drei Milliarden Funktionen meines Handys weniger als fünf beherrsche, schiebe ich – wann immer mich mein Sohn oder meine Tochter mit einem Blick bedenken, der zwischen Vorwurf und Mitleid changiert – auf meine arg begrenzte Zeit. In Wirklichkeit bin ich nichts anderes als eine selbstbestimmte Frau, die sich schlichtweg kaum bis gar nicht für Technik interessiert.
„Frauen und Technik… hö, hö, hö!“
Doch weil ich unter keinen Umständen jenes Klischee, in dessen Gravitationsfeld ich mich längst hinein manövriert habe, bedienen will – „Frauen und Technik… hö, hö, hö!“ – wird es dringend Zeit, mich den Herausforderungen einer digitalisierten Normalität, ihren Vorzügen und Tücken, zu stellen. Als erstes nehme ich mir vor, das ausrangierte Smartphone meiner Tochter – ganz ohne die Hilfe meiner Familie – für mich flottzumachen. Der Workshop des Landfrauenverbands Lotte, „Whatsapp kompakt – Der beliebte Messenger im Überblick“, kommt mir daher wie gerufen.
Andreas Harder, langjähriger Dozent bei der VHS Lengerich und selbstständiger IT-Berater, hat an diesem Abend viel Geduld und noch mehr didaktisches Geschick mit ins Haus Hehwerth gebracht, um uns „Digital Immigrants“ die nötige Lässigkeit im Umgang mit Chatgruppen, Audiobotschaften und Kameraeinsatz zu vermitteln. „Wichtig ist, dass Sie keine Getriebenen sind“, sagt er, „sondern von sich aus Lust darauf haben, Whatsapp besser oder überhaupt erst einmal kennenzulernen.“ Persönliche Neugier statt gesellschaftlichem Druck – nur so mache das Entdecken Spaß.
Zwischen Pflicht, Kür und Neuland
Die meisten Teilnehmer, wird in der Vorstellungsrunde klar, nutzen schon seit Jahren ein Smartphone und haben die grundlegenden Funktionen – Telefonieren, Fotografieren, Textnachrichten empfangen und versenden – ihrer mobilen Endgeräte souverän im Griff. „Ich will einfach mal wieder auf den neusten Stand gebracht werden“, betrachtet Peter Kalbas aus Osnabrück den Workshop als willkommenes Update in eigener Sache. Brigitte und Georg Meyer zu Lösebeck aus Wersen spekulieren darauf „ein paar neue Kniffe“ im Umgang mit dem ihnen schon vertrauten Kommunikationsdienst zu erheischen. Und Rosemarie Wahl aus Lotte möchte lernen, wie sie Fotos per Whatsapp verschicken kann.
Während also etwa die Hälfte der Teilnehmer recht fest im digitalen Sattel sitzt und außer der Pflicht auch schon ein beachtliches Maß an Kür beherrscht, betreten andere an diesem Abend Neuland. Zum Beispiel Manfred Kammler, der gebannt die Erklärungen von Andreas Harder inhaliert und emsig auf dem Touchscreen seines Smartphones herumwischt. „Wo bin ich denn jetzt bloß wieder gelandet?“, murmelt er und wendet sich hilfesuchend an seine Frau. Einstellungen, Datenverbrauch, Profilinformationen… „Versuchs doch mal da“, rät diese, tippt auf einen Button und blickt ihm neugierig über die Schulter. „Ich bin hier eigentlich nur die Begleitung“, raunt Gisela Kammler mir zu, „für das Handy ist mein Mann zuständig.“ Genauso wie für den PC, das heimische Internet und die E-Mails, fährt sie fort – und wirkt dabei durchaus erleichtert. „Ich telefoniere nämlich lieber“, gibt meine Schwester im Geiste unumwunden zu, „und manchmal schreibe ich Postkarten.“
Alternative Messenger für Skeptiker
Andreas Harder hilft inzwischen, wo immer es nötig ist, beim Installieren, Einrichten oder Benutzen des Messenger-Giganten, beantwortet Fragen zum Datenschutz und zeigt den Skeptikern Alternativen zu Whatsapp auf: „Es gibt etliche weitere Möglichkeiten wie Threema, Telegram, Chiffry oder SIMSme, die auch parallel genutzt werden können“, führt er Gegenangebote ins Feld, die sich nicht das Sammeln und Auswerten von persönlichen Daten auf die Fahnen geschrieben haben, sondern bei denen die Sicherheit im Vordergrund stehe. Aber egal welchen Messenger man verwende – das Entscheidende sei und bleibe, sich immer wieder mit ihm zu beschäftigen. „Ziehen Sie sich regelmäßig mit ihrem Smartphone zurück und probieren sie die verschiedenen Funktionen aus“, ermuntert Harder die Gruppe.
Gisela Kammler und ihr Mann beugen sich derweil fasziniert über das Display ihres Smartphones, auf dem etliche Whatsapp-Botschaften erscheinen. „Die sind alle an uns gesendet worden“, staunen sie, „ aber wir konnten sie bis jetzt einfach nicht empfangen.“ Im kommenden Monat, kündigt Gastgeberin Ilse Lange an, lädt der Lotter Landfrauenverband zu einem Workshop über den Umgang mit dem sozialen Netzwerk Facebook ein. Manfred Kammler blickt seine Frau fragend an. Die nickt nur vergnügt: „Da habe ich uns doch schon längst angemeldet“, flüstert sie ihm mit sichtlicher Vorfreude zu.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 20.02.2019)