Die tiefschwarze Mähne wallt den muskulösen Hals herab. Das Fell glänzt. Die Nüstern blähen sich temperamentvoll. Shetlandpony Black Jack ist ein selbstbewusster Beau. Und das scheint der kleine Wallach auch ganz genau zu wissen, wie er da mit gespitzten Ohren und funkelndem Blick auf der Diele steht. Aber: die Hufe – viel zu lang! Ungeduldig warten Blacky und sein Frauchen, die zwölfjährige Emma, daher auf den Besuch von Hufschmied Markus Twickeler aus Westerkappeln. Nicht aus schnöder Eitelkeit, sondern weil vier gepflegte Hufe eine der Voraussetzungen für ein gesundes Pferdeleben sind. Was der Schmied dabei alles zu beachten hat, erfahren wir heute gleichermaßen aus erstem Huf und erster Hand.
„Na, mein Junge – geht’s wieder los mit uns?“ Markus Twickeler und Black Jack haben nicht das erste Mal miteinander zu tun. Man kennt sich – und das macht viele der nun anstehenden Prozeduren einfacher. Rund 200 Kilo Shetlandpony verteilen sich auf vier zierliche Hufe, jeder in der Größe einer Untertasse. Während wir Zweibeiner bei der professionellen Fußpflege bequem auf einem Sessel Platz nehmen und es uns gemütlich machen dürfen, hat der dunkelbraune Wallach deutlich weniger Spaß: Statt auf vier muss er sein Gewicht nun abwechselnd auf drei Stützen verteilen – und dabei sowohl die Balance als auch seine Contenance bewahren. „Der ruhige Umgang mit dem Pferd ist das A und O“, sagt Twickeler und streicht Blacky über die Stirn. Doch mit seinen 17 Jahren hat der Vierbeiner längst gelernt, dass das, was da auf ihn zukommt, die Aufregung nicht lohnt. Brav legt er den linken Vorderhuf in den von einer derben Lederschürze geschützten Schoß des staatlich anerkannten Hufbeschlagschmieds. Emma reicht ihrem Vierbeiner zur Belohnung ein Leckerli. „Blacky ist sehr lieb und sehr gelehrig“, bescheinigt sie dem Wallach, „allerdings kann er manchmal auch reichlich frech sein.“ Ein richtiges Shetlandpony also.
Rund einen Zentimeter legt der hörnerne Pferdezeh in einem Monat an Länge zu. Das Wachstum ist abhängig vom Alter und der Belastung des Pferdes, seiner Ernährung und seinen Haltungsbedingungen. Bevor Markus Twickeler seine Schneidezange ansetzt, betrachtet der 48-Jährige Black Jacks Huf, den Emma vorher ausgekratzt und gesäubert hat, aufmerksam. Ist das Horn in einem guten Zustand – oder wirkt es brüchig oder porös? Ist der Hufstrahl trocken – oder gibt es Anzeichen von Fäulnis? Twickeler nickt zufrieden. Die äußere Zehe ist zwar deutlich zu lang, aber die gewölbte Sohle und der Strahl sind in einem guten Zustand. „Der Untergrund, auf dem die Tiere stehen, macht eine Menge aus“, erklärt er. Seine eigenen Pferde hält der leidenschaftliche Vierspänner-Fahrer auf Stroh. Immer schön trocken und frisch gestreut – denn Hufe, die in einem unheilvollen Gemisch aus Mist und Urin stehen müssen, leiden immens, warnt Twickeler.
Auch wenn er starr und massiv wirkt, ist ein Pferdehuf ein flexibles und gut durchblutetes Gebilde, das dafür sorgt, dass sich das Gewicht des Vierbeiners gleichmäßig und sicher auch auf unebenem Gelände verteilt und die einzelnen Tritte wie durch einen Stoßdämpfer optimal abgefedert werden. Vorsichtig berühre ich einen von Black Jacks Hufen – er ist angenehm warm: Körpertemperatur. „So ein Huf funktioniert wie ein Schwamm“, erklärt der Schmied. Um ihn schön feucht zu halten, genüge eigentlich der Morgentau, der das Horn auf natürliche Weise benetzt. „Pferde, die über Nacht auf der Weide sind, haben weniger Probleme.“ Vom Gebrauch von Huf-Fett rät er allerdings ab: „Das hindert die Feuchtigkeit daran, in den Huf einzudringen.“ Dann lieber hin und wieder etwas Öl.
Zu Twickelers Kunden zählen neben kleinen Shetty-Schönheiten, die wie Black Jack ihre lauen Tage in einer Offenstallhaltung verbringen und ohne Hufeisen und nennenswerte sportliche Belastung auskommen, auch Turnier- und Freizeitpferde. Da steht dann außer Schneiden und Raspeln oftmals auch noch Eisen-Anpassen und Beschlagen auf dem Programm. „Die meisten Freizeitpferde sind als Barhufer – also ohne Eisen – gut beraten“, erklärt Twickeler. Bei Springpferden sieht die Sache anders aus: „Für die ist ein Beschlag sinnvoll, weil ihre Reiter dann je nach Untergrund die richtigen Stollen in die Eisen schrauben können.“ Und das sorgt für deutlich mehr Trittsicherheit. Auch orthopädische Fehlstellungen gleicht Markus Twickeler über einen entsprechenden Korrekturbeschlag aus.
Der letzte Huf ist geraspelt. Markus Twickeler richtet sich auf und atmet erleichtert durch. Black Jack schüttelt die üppige Mähne, schnaubt befreit und tänzelt auf eleganten Hufen über das rote Dielenpflaster – leichtfüßig der Sommerweide entgegen.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 29.07.2015; Westfälische Nachrichten, 30.07.2015)