Fast jeden Morgen verwandeln ungezählte Pkw, Lkw und Busse das Zentrum von Neuenkirchen in einen gefährlichen Ort. Damit vor allem Grundschüler das Tohuwabohu sicher durchqueren können, engagieren sich Eltern und Großeltern als Verkehrshelfer.
Stockdunkel und verdammt kalt ist es, als sich Jeannette Brümmer und Stefanie Meier-Pohlmann um viertel vor Sieben auf dem Parkplatz gleich neben der St.-Laurentius-Kirche treffen. Handschuhe angezogen und Wollmütze übergestreift; die neongelben Warnwesten und die leuchtend roten Kellen lassen keinen Zweifel: Hier bereiten sich zwei von inzwischen 25 ehrenamtlichen Verkehrshelfern in der Gemeinde auf ihren Einsatz vor.
Teufelskreis durchbrechen – aber wie?
Die von der Verkehrswacht geschulten Mütter, Väter, Großeltern – und sogar ein paar Jugendliche aus der benachbarten Goode-Weg-Schule – bringen nicht nur die Grundschüler sicher über die vielbefahrene Kreisstraße, sondern versuchen zugleich, einen fatalen Teufelskreis zu durchbrechen. Denn um ihre Kinder vor den – auch in Neuenkirchen fraglos vorhandenen – Gefahren des Straßenverkehrs zu bewahren, chauffieren viele Eltern ihren Nachwuchs am liebsten bis unmittelbar an den Schulhof heran. Die Folge: Der ohnehin schon dichte Verkehr rund um das Schulzentrum wird noch unübersichtlicher, unberechenbarer und gerade für die jüngsten Verkehrsteilnehmer, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommen: noch unsicherer. Besonders hart umkämpft – und somit auf der Liste der Gefahrenpunkte ganz weit oben – ist der Bushalteplatz Im Hülsen.
Auf öffentlichen Parkplätzen halten
„Deshalb bitten wir die Eltern, die mit dem Auto kommen: Parkt auf den öffentlichen Parkplätzen“, erklärt Jeannette Brümmer, „also auf dem Kirchparkplatz, bei Abings Grünem Markt oder auf dem Platz vor dem Rathaus.“ Denn: „Die letzten 200 Meter von da aus schaffen eure Kinder alleine“, plädiert die Verkehrshelferin für mehr Vertrauen in die Eigenständigkeit des Nachwuchses, zumal diese Strecke ja durch das Lotsenteam zuverlässig abgesichert sei. „Die Eltern können sich darauf verlassen, dass wir an jedem Schulmorgen die Querung hier an der Lindenstraße und außerdem an der Voltlager Straße in Höhe der Siedlung Im Wiesengrund sichern.“
Berufsverkehr trifft auf Schülertransport
Stefanie Meier-Pohlmann schaut auf die Uhr. „Jetzt geht’s gleich los“, weiß sie aus Erfahrung und positioniert sich mit ihrer Kollegin Gerlind Böhmann-Hüls an der Querungshilfe, die zwischen dem Kirchplatz und der Gaststätte Welling über die Lindenstraße führt. Kaum ist der siebte Glockenschlag verhallt, erwacht das Dorf wie auf einen Knopfdruck – und die motorisierte Mobilität nimmt Fahrt auf. „Zwischen 7:00 und 7:30 Uhr treffen hier Berufsverkehr und Schülertransport aufeinander“, erläutert Brümmer. Etliche Busse steuern das örtliche Schulzentrum Im Hülsen an, viele sind zudem in Richtung der IGS Bramsche, des Fürstenberg-Gymnasiums in Recke oder zur IGS nach Fürstenau unterwegs. Just zu dieser Stunde starten auch etliche Lkw ihre Touren.
„Ein Helm wäre auch nicht schlecht“
7:05 Uhr: Auf dem Radweg nähert sich ein erster Pulk Grundschüler, steigt von den Fahrrädern und schiebt zur Querung – manche mit, manche ohne reflektierende Warnweste. Stefanie Meier-Pohlmann und Gerlind Böhmann-Hüls nehmen Blickkontakt auf, lächeln, ein paar Kinder grüßen. Man kennt einander. Jede Verkehrshelferin ist für das Absichern einer Fahrtrichtung zuständig und stoppt souverän die Karawane der Benzinkutschen. „Außer ihnen über die Straße zu helfen, versuchen wir natürlich auch, Kinder und Eltern für das Thema Verkehrssicherheit zu sensibilisieren“, erklärt Jeannette Brümmer, weist einen Grundschüler auf ein defektes Licht an seinem Rad hin und mahnt mit einem Augenzwinkern: „Ein Helm wäre auch nicht schlecht.“
Beleidigungen durchs geöffnete Seitenfenster
„Es gibt sowohl Kinder als auch begleitende Erwachsene, die sich jedes Mal bei uns bedanken“, freut sich Brümmer. Vereinzelt erwiesen sich Autofahrer dagegen als erschreckend uneinsichtig. „Die sehen nur das eigene Kind und merken nicht, dass sie durch ihr Verhalten zur Gefahr für alle anderen werden.“ Gar nicht so selten würden ihr und ihren Kolleginnen im Vorbeifahren sogar Beleidigungen durch das geöffnete Seitenfenster zugerufen. Jeannette Brümmer zuckt betont gleichgültig mit den Schultern. Mangelnde Höflichkeit ficht sie nicht an, die Missachtung der Verkehrsregeln, die sie regelmäßig beobachtet, allerdings sehr: Halten im Halteverbot, Einbiegen in Straßen trotz Verbotsschild, nicht verkehrssicher ausgestattete Fahrräder. „Dagegen helfen aber wohl nur mehr Polizeikontrollen und entsprechende Bußgelder“, fürchtet sie.
Sich auf Nordkreisebene organisieren
Mit dem Unterrichtsbeginn um 7:30 Uhr endet der Einsatz der Verkehrshelfer. Doch an diesem Morgen gehen Stefanie Meier-Pohlmann und Gerlind Böhmann-Hüls nicht wie sonst nach Hause. Jeannette Brümmer hat das Team der Verkehrshelfer in die Aula der Grundschule zusammengetrommelt und hievt einen offenbar recht schweren Karton heran: „Aus Dank dafür, dass wir sie und ihr Kind jeden Tag sicher über die Straße begleiten, hat eine Mutter für jeden von uns ein Geschenk vorbereitet“, sagt sie und macht sich freudig ans Verteilen. Eine willkommene Motivation für die ambitionierte Crew – denn die Verkehrshelfer haben noch jede Menge vor: Einen Plan mit Empfehlungen für sichere Schulwege zu erarbeiten, die Verkehrserziehung in Kindergärten und Grundschulen zu unterstützen und auszubauen sowie mit Gleichgesinnten aus den übrigen Samtgemeinden zusammenzuarbeiten sind nur einige ihrer Pläne, um noch mehr Schulwege in der Region sicherer zu machen.
(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 05.01.2019)