Auf dem (steinigen) Weg zur nachhaltigen Mobilität

Dichter dran gehts kaum: Das Büro der Mobilitäts-Visionäre liegt unmittelbar am Berliner Platz, einer der meist frequentierten Kreuzungen in der Hasestadt. Foto: Ulrike Havermeyer

„Wir müssen dringend etwas ändern“, sagt Brigitte Strathmann, Leiterin des 2016 gemeinsam von der Stadt Osnabrück und den Stadtwerken ins Leben gerufenen Projekts Mobil > E Zukunft.

Wer die 44-jährige Diplom-Geografin an ihrem Arbeitsplatz besucht, der begreift vielleicht eher als ihm lieb ist, was sie meint – und dem schwant womöglich schon nach wenigen Augenblicken, dass sie recht haben dürfte. An ihren Schreibtischen im ehemaligen Matratzenladen im Erdgeschoss am Berliner Platz 1 sind Brigitte Strathmann und ihre Kollegen Joachim Kossow und Nicolai Schlepphorst durch nichts als die deckenhohen einstigen Schaufensterscheiben von einer der meist frequentierten Kreuzungen in der Hasestadt getrennt.

Ob mit Pkw, Sattelzug oder Pedelec unterwegs, mit Linienbus, Taxi, Fahrrad oder im Rollstuhl, mit Wohnmobil, Enduro oder Roller, ob im Polizei- oder Feuerwehreinsatzfahrzeug, ob als Fußgänger mit oder ohne Kinderwagen oder Einkaufstrolley, ob als Steppke auf dem Laufrad oder als Senior mit dem Rollator – es gibt kaum einen Typ von Verkehrsteilnehmer, der nicht mehrmals täglich durch das Blickfeld von Brigitte Strathmann und ihren Mitstreitern flitzt, huscht oder trödelt und der – je nach Motorisierungsstärke und Aggressivitätspegel – in der Geräuschkulisse des gläsernen Büros sein Echo hinterlässt. Dichter dran am Geschehen geht’s nicht.

Die Tücken der Gegenwart

Wer so unmittelbar die Tücken und Engpässe der mobilen Gegenwart erlebt, dessen Motivation, die Zukunft des privaten und öffentlichen Nahverkehrs mit- und also umzugestalten, wächst quasi im Takt der Ampelphasen, der Martinshörner und der aufheulenden Motoren. „Nachhaltige Mobilität“ heißen denn auch die Zauberworte, die sich das Team um Brigitte Strathmann auf seine Fahnen geschrieben hat. Was es damit auf sich hat? „Wir wollen ganz bewusst kleine Akzente setzen, um die Bevölkerung für das Thema Mobilitätswandel zu sensibilisieren“, erklärt die Projektleiterin. Schließlich haben Rat und Verwaltung  der Stadt die „nachhaltige Mobilität“ zu einem von acht strategischen Zielen erklärt, die bis zum Jahr 2020 erreicht sein sollen oder denen man bis dahin doch zumindest einen deutlichen Schritt näher gekommen sein will.

Zwei zu einer lauschigen Sitzecke für Passanten umfunktionierte ehemalige Pkw-Stellplätze an der Dielingerstraße? Selbstleuchtende Radwege entlang des Walls? Carsharing in der Innenstadt und die Einführung des Jobtickets für vergünstigtes Busfahren? Im Projektplan, den jeder Interessierte als Flyer unter anderem am Berliner Platz 1 kostenlos bekommt, sowie im Internet unter mobilezukunft.info beschreiben die Mobilitätsvisionäre aus Osnabrück, welche ihrer Ideen bereits umgesetzt und welche in Vorbereitung sind. Dabei haben die Mitglieder der Projektgruppe allerdings festgestellt, dass sich der eine oder andere Benzinkutscher schwertut mit den angestrebten Neuerungen.

„Wir leisten hier Pionierarbeit“

„Seit 70 Jahren haben die Planer in Osnabrück das Auto in den Mittelpunkt gestellt“, gibt Nicolai Schlepphorst zu bedenken und hat durchaus Verständnis dafür, dass es für manch alteingesessenen Pkw-Individualisten, versöhnlich formuliert: „irritierend“ sei, wenn die Hasestadt ihr Erscheinungsbild nun sachte aber konsequent von „autogerecht“ zu „nachhaltig“ verändere. Aber wer es mit dem Mobilitätswandel ernst meine, der müsse einen klaren Gegenpol zum motorisierten Individualverkehr schaffen, den ÖPNV als Partner mit ins Boot holen und für eine bessere und vor allem sichere Infrastruktur auch für Radfahrer und Fußgänger sorgen.

„Wir leisten hier Pionierarbeit“, beschreibt Brigitte Strathmann die Herausforderung. Die Zusammenarbeit von Stadt und Stadtwerken bei diesem Projekt sei zudem eine Riesenchance, und die Unvoreingenommenheit, mit der alle Beteiligten an die Sache herangingen, ein klarer Mehrwert. „Wir haben nichts gegen Autofahrer“, versichert sie, „aber wenn sich jeder fragen würde, ob wirklich jede Autofahrt nötig ist, und wenn jeder vielleicht zwei- oder dreimal in der Woche eine Alternative ausprobiert – dann hätten wir schon viel erreicht.“

(Erschienen in HIER, Magazin der Osnabrücker Stadtwerke, 02/2018)