Während wir Warmduscher uns ab September wieder Richtung Hallenbad orientieren, erobern wasserfreudige Vierbeiner nach Saisonschluss den Bullerteich: Hundeschwimmen im Freibad ist angesagt – und Sally, unser Familienlabrador, mischt mit.
Nein! Ich bin ganz sicher kein Helikopterfrauchen! Aber natürlich möchte ich, dass meine Hündin sich sicher fühlt bei ihrem ersten Schwimmbadbesuch. Geborgen und unterstützt von ihrem Rudel – von uns also. Sally, eine Seele von Hund, ist nicht eben die hellste Kerze im Leuchter. Da kann, zumal in unbekanntem Terrain, schon mal was schief gehen. Einmal ist sie beispielsweise auf einer Böschung ins Trudeln geraten und unfreiwillig in einen Graben gekugelt… Ein bisschen aufgeregt bin ich also schon, als ich die Badetasche bestücke – fast wie damals, als unser Sohn und unsere Tochter mit dem Seepferdchen-Kurs gestartet sind. Übrigens ebenfalls im Bullerteich.
Ich werfe hektische Blicke in die häusliche Runde. Haben wir an alles gedacht: Frotteehandtuch? Shampoo? Spielzeug? Taucherbrille? Und wie ist das eigentlich mit uns Erwachsenen – wird beim Hundeschwimmen erwartet, dass wir mit ins Wasser kommen? Muss ich die Badehosen einpacken? Mein Mann, Pragmatiker durch und durch, verdreht die Augen: „Halsband, Leine, Impfpass und Versicherungsbescheinigung – mehr brauchen wir nicht.“ Sally tänzelt derweil schwanzwedelnd durch die Wohnung, auf ihren Lefzen formt sich ein begeistertes Grinsen: die pure Abenteuerlust. So einfältig sie sich uns gegenüber gibt, so offen ist sie doch für alles Neue.
Kotbeutel und Leckerlis für alle
Bereits im dritten Jahr lädt der Verein Arche4Dogs wasserfreudige Vierbeiner mit ihren Menschen an einem Nachmittag in Westerkappelns traditionsreiche Badeanstalt ein. Ungestüme Zottelwesen, die fröhlich kapriolend durchs Nichtschwimmerbecken hechten? Was in den humanfixierten Sommermonaten undenkbar wäre, ist eine gute Woche nach Beendigung der Freibadsaison – wenn das freie Chlor sich aus dem Wasser verabschiedet hat – offiziell gesellschaftsfähig. Zumindest unter Hundefreunden. Sogar Schwimmmeister Heinrich Elgert spaziert ganz entspannt durch die wilde Meute, die sich da zwischen Liegewiesen und Wasserrutsche ausgelassen tummelt.
„Ich habe vonseiten der Gemeindeverwaltung das Bad aufgeschlossen“, sagt er, „und werde es nachher wieder abschließen.“ In der Zwischenzeit ist Elgert ausschließlich als Privatmann vor Ort vertreten – und als Hundebesitzer: Er und seine Frau Monika spendieren sich und ihrer Hausgenossin Lassie einen unbeschwerten Tag am Pool. Am Eingang kontrolliert Erika Gehrmann vom Arche4Dogs-Organisationsteam die geforderten Papiere der tapsigen Besucher, kassiert zwei Euro Eintrittsgeld und verteilt Kotbeutel und Leckerlis. „Hauptsache, es macht allen Spaß“, hofft ihre Kollegin Sabine Gauding und freut sich, dass schon kurz nach dem Öffnen der Pforte mehr als 50 Vierbeiner das Freibad geentert haben: „Noch mehr als im vergangenen Jahr.“
Dieser Hauch von liebenswerter Anarchie
Kaum betreten wir den roten Pflasterweg zum Nichtschwimmer, ist es auch schon wieder da, präsent wie eh und je, mit voller Wucht – genau wie beim Schwimmkurs unserer Kinder vor mehr als zehn Jahren, genau wie zu meinen eigenen Jugendzeiten: das unnachahmliche, überwältigende Bullerteich-Feeling! Munteres Gewusel. Vergnügtes Gekreische. Chaotisches Hin-und-Her-Gerenne: diese überbordende, vitale Unberechenbarkeit. Dieser mitreißende Sturmwind liebenswerter Anarchie.
Und ganz gleich, ob da Mensch oder Tier herumtobt, die Typen ähneln sich frappierend: Da gibt es die extrovertierten Wilden, die aus vollem Lauf ins Wasser stürmen, um einem Ball, einem Reifen oder – das ist allerdings nur beim Hundeschwimmen erlaubt: einem Stöckchen hinterher zu springen. Oder die Beherrscht-Sportlichen, die unbeeindruckt vom Trubel ihre Bahnen ziehen. Die Aufdringlichen, die rempelnd und schupsend nicht merken, wie sehr sie den anderen auf die Nerven fallen. Und solche Herzchen wie Sally, die das aufregende Spektakel sichtlich genießen und voll eintauchen in die Gemeinschaft – zumindest emotional.
Ins Wasser gehen möchte unsere Hündin dann aber bitte doch nicht. Zumal sie den Stufen, die ins Nichtschwimmerbecken führen, nicht so recht zu trauen scheint. Lieber beobachtet die treue Fellnase das tollkühne Gebaren der Vier- und der Zweibeiner um sich herum, von denen die einen mit triefendem Fell und manch ein anderer mit durchnässter Jeans dem Wasser entsteigen. Vielleicht wäre es doch nicht verkehrt gewesen, die Badehose mitzubringen, sinniere ich fröstelnd und sehne mich nach einem Frotteehandtuch.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 19.09.2018)