Warum mit Kamelen durch das Tecklenburger Land spazieren, wenn es doch Hunde, Ponys, Esel und nicht zu vergessen: Ehemänner gibt, die einer geselligen Wanderung ebenfalls nicht abgeneigt sind. Ich mache den Test und melde mich für eine geführte Lama-Alpaka-Trekking-Tour an.
Für Heike Pohl liegen die Vorzüge der putzigen Gesellen mit den treuen Kulleraugen, also aus ihrer Sicht der Lamas und der Alpakas, klar auf der Hand: „Sie vereinen Eleganz mit Freundlichkeit und Charakterstärke.“ Schon die Inkas hätten sich mit der Domestizierung und Zucht dieser als Lastenträger, Woll- und Fleischlieferanten geschätzten Vierbeiner beschäftigt. Vor 15 Jahren hat sich die Lienenerin beim Anschauen einer Fernsehdokumentation in die zotteligen Schwielensohler aus der Familie der Kamele verguckt – und ist kurzerhand nach Südamerika gereist, um sich über deren Haltungsbedingungen zu informieren. Wenig später hat sie den Zuchthof „Alpakas am Teuto“ gegründet. Unterstützt wird sie bei ihrer eher ungewöhnlichen Leidenschaft von Christian Hoeksma. Regelmäßig bieten die beiden, in Kooperation mit den örtlichen Touristikvereinen, geführte Trekking-Touren in Bad Iburg und Tecklenburg an.
Grissom schaut mir mit leicht entrücktem Blick vertrauensselig in die Augen. Dabei schmatzt er betont lässig auf irgendetwas Vorverdautem herum – Alpakas sind wie Milchkühe Wiederkäuer. Lamas genauso. „Keine Sorge, der spuckt eigentlich nicht“, ruft mir Heike Pohl aus einem Knäuel wolliger Leiber heraus zu. Weil der angekündigte Rundgang auf dem Parkplatz am Tecklenburger Waldfreibad beginnt und beim Verladen vorher in Lienen jede Hand willkommen ist, darf ich zusammen mit der Lama-Fachfrau fünf Tiere von der heimischen Weide am Fuße des Teutoburger Waldes holen. Christian Hoeksma hat bereits den Pferdeanhänger hinter den Pkw gekuppelt.
Wie kommuniziert man mit Kamelartigen?
Wäre der stoisch mümmelnde Alpakahengst ein Hund, wüsste ich, wie ich mich ihm vorstellen und ihm meine friedlichen Absichten bekunden könnte. Doch wie kommuniziert man mit Kamelartigen? Den flauschigen Pelz kraulen? Liebevoll ihren Namen säuseln? „Wenn man nett zu einem Alpaka sein will, gibt man ihm eine Möhre“, setzt Christian Hoeksma eher auf ein pragmatisches Miteinander. Den Nacken tätscheln sei auch okay – „aber bitte nicht im Gesicht oder an den Ohren berühren.“ Als Fluchttiere reagieren Grissom und seine etwa 35 Herdengenossen nämlich durchaus empfindlich, wenn man an ihren Hauptsinnesorganen herumfuchtelt.
Ansonsten scheint der Umgang mit dem adrett geschorenen Beau überraschend unkompliziert. Als alter Trekking-Hase trottet der 15-Jährige am langen Führstrick widerstandlos neben mir Richtung Anhänger. Genau wie seine Kumpel Cholo und Matulla und die beiden Lama-Kollegen Dancing Fire (genannt Daffi) und Miro. Nach einer von entspannter Routine geprägten Fahrt, die sich die Passagiere mit beharrlichem Wiederkäuen und neugierigem Beobachten des Straßenverkehrs verkürzen, erreichen wir das Waldfreibad.
Cholo erweist sich als wahrer Womanizer
Kaum hat Hoeksma die Schwielensohler vom Wagen bugsiert, zücken ein Dutzend wanderwillige Zweibeiner im Alter von fünf bis über 50 Jahren reflexartig und mit fröhlichem Hallo ihre Smartphonekameras: „Wie süüüüüß!“, „Niiiiiiiedlich!“, „Coooool!!!“ Vor allem der beneidenswert dicht behaarte Cholo erweist sich als wahrer Womanizer – gleich drei junge Osnabrückerinnen scharen sich begeistert um ihn. Langsam aber sicher bildet sich eine mehr oder weniger geordnete Karawane. An der Spitze zockelt Oldtimer Grissom. „Ihr müsst eurem Tier zeigen, wer der Chef ist“, rät unser Tour Guide dringend dazu, sich nicht von den verträumten Schlafzimmerblicken der puscheligen Paarhufer täuschen zu lassen.
Zwar seien sowohl Lamas als auch Alpakas ausnehmend friedfertige und gutmütige Geschöpfe, die wegen ihres sanften Wesens daher auch bei tiergestützten Therapien eingesetzt würden, wegen ihrer Trittsicherheit in Österreich und der Schweiz im Lawinendienst und wegen ihres ausgeprägten Beschützerinstinkts als Herdenschutztiere für Schafe. Daneben seien sie aber eben auch recht eigenwillig und gewieft.
Filigraner Vorhang aus XXL-Wimpern
Der solide Gleichmut und die scheinbar heitere Gelassenheit unserer Begleiter übertragen sich mehr und mehr auf die Gruppe, und so zuckeln wir gemütlich und ohne Zwischenfälle bergauf, bergab, durch den Tecklenburger Kurpark. Hinter dem filigranen Vorhang aus XXL-Wimpern schimmert reine Zufriedenheit aus Grissoms Augen. Fazit: Warum mit Kamelen durch das Tecklenburger Land spazieren? Ist doch ganz einfach: Lamas und Alpakas sind folgsam wie ein Hund, vorwitzig wie ein Pony, klug wie ein Esel – und man kann mit ihnen einvernehmlich Schweigen wie mit einem Ehemann.
Weitere Informationen und aktuelle Termine für Trekking-Touren gibt es auf der Homepage von Heike Pohl unter www.alpakas-am-teuto.de.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 15.08.2018)