Liebevolle Konsequenz in Hundesprache

„Prima machst du das, Lilly!“ Frauchen Neele Jablonski und ihre pfiffige Hündin haben nicht nur jede Menge Spaß auf dem Übungsplatz von Sabine Wedderhoff, sondern verbuchen ganz nebenbei auch noch einen beachtlichen Lernerfolg. Fotos (2): Ulrike Havermeyer

Mensch und Hund – das passt meistens. Ob als Familien- oder Therapiehund, als Wach-, Begleit-, Jagd-, Schutz-, Hof- oder Assistenzhund – oder einfach nur als Freund fürs Leben. Damit die Vierbeiner-Zweibeiner-Beziehung auf soliden Pfoten steht, ist der Besuch einer Hundeschule angeraten.

„Hier haben Sie den Klicker, dazu gibt es eine Handvoll Leckerlis – und das ist heute Ihr Partner“, drückt mir Hundetrainerin Sabine Wedderhoff allerlei Equipment in die Hand, unter anderem eine lange Stoffleine. An deren anderem Ende sitzt Taboo und blickt mich neugierig aus hellwachen Augen an. Die schwarzen Zauselohren erwartungsvoll gespitzt, ist der zwölf Monate alte Australien Shepherd mindestens so gespannt wie ich, worauf das mit uns beiden an diesem Vormittag wohl hinaus laufen wird. Taboo ist der Hund von Sabine Wedderhoff, doch heute fungiert er ausnahmsweise als „Leihhund“ für mich.

 „Hab ich am Telefon doch richtig verstanden, dass Sie mitmachen wollen?“, fragt Sabine Wedderhoff und lächelt mir auffordernd zu. Hektisch stopfe ich die Belohnungshäppchen in die Jackentasche, friemel mir die Klickerschlaufe ums Handgelenk, tätschel Taboo noch schnell den Kopf: „Na, du bist ja ein ganz ein Braver, was?“ – und nicke dann entschlossen. Einmal tief durchatmen, und los geht’s: „Bei Fuß, Taboo!“ Zunächst heißt es Einreihen in den Kreis der rund ein Dutzend Herrchen und Frauchen, die auf dem weitläufigen Hundeplatz im Mettinger Außenbereich – mal mehr, mal weniger routiniert – mit ihren Vierbeinern um den Coach herum marschieren.

Individualität und Inklusion

Ob Senioren, Jugendliche, Grundschüler, Menschen mit und ohne Handicap, ob Welpen, geschulte oder unerzogene Hunde – bei „Dog Fun & Prima Assistenzhund“ sei jeder willkommen, betont Sabine Wedderhoff, ihr gehe es vor allem um Individualität und Inklusion: „Mein Ziel ist es, so vielen Menschen wie möglich mit einem gut ausgebildeten Hund zu mehr Mobilität, Unabhängigkeit und  Lebensqualität zu verhelfen.“

Vor 25 Jahren hat die gelernte Metallerin sich nach einer dreijährigen Ausbildung als Hundetrainerin und Verhaltensberaterin selbstständig gemacht. Seitdem bietet sie von der Welpen- und Junghundeschule über einen Basislehrgang unter anderem auch Kurse wie „Clever Dogs“, „Begleithund und Social Walk“, eine Sprechstunde, Einzelunterricht sowie die Ausbildung von Therapie-, Schul- und Kitahunden an.

Taboo, der zwölf Monate alte Australien Shepherd von Sabine Wedderhoff weiß, wie er Menschen auf ihrem Weg zum Hundeführer weiterbringt.

Liebevolle Konsequenz

Der Name ihrer Schule „Dog Fun“ ist nicht nur Programm, sondern bringt auch die Philosophie von Sabine Wedderhoff auf den Punkt: „Sowohl das Tier wie auch der Mensch lernen am liebsten und am besten in einer entspannten und stressfreien Atmosphäre“, ist ihr ein harmonischer Umgang allemal wichtiger als der mit autoritärer Strenge eingeschliffene Appell. Was allerdings nicht heißt, dass die Vierbeiner bei ihr machen dürfen, wonach ihnen gerade der Sinn steht. „Regelmäßige Unterordnung und Übungen zum Gehorsam sind schon sehr wichtig“, sagt die Mettingerin, „aber die lassen sich eben auch mit viel Spaß und einer Portion Abenteuer trainieren.“ Ihre Devise lautet: „Liebevolle Konsequenz in Hundesprache.“

Im beschwingten Gleichschritt wandern Taboo und ich mittlerweile souverän in der Rudelformation mit. Auf die Lefzen des fidelen Rüden scheint sich ein amüsiertes Grinsen gelegt zu haben – und aus seinen braunen Augen schimmert mir nachsichtiges Wohlwollen entgegen. Ich könnte außerdem schwören, dass mir der sympathische Australien Shepard von Zeit zu Zeit beruhigend zublinzelt. Wer bringt hier eigentlich wem etwas bei?, frage ich mich und stecke meinem Übungspartner das nächste Leckerli zu. Sogar den mir bisher noch nicht vertrauten Klicker, mit dem das erwünschte Verhalten akustisch „markiert“ und  leicht verzögert dann auch per Gaumenfreude belohnt wird, lerne ich langsam aber sicher immer gezielter einzusetzen.

Das Vertrauen spielerisch festigen

Aus der Mitte des Kreises heraus kündigt Sabine Wedderhoff an, mit welcher Aufgabe die jeweiligen Mensch-Hund-Teams sich – je nach Lernstand und Wesensart – beschäftigen sollen. „Bei Fuß“ klappt bei Taboo und mir schon super, und auch bei „Sitz“ und „Platz“ werden wir uns mehr und mehr einig. Was die Impulskontrolle (die Selbstbeherrschung seiner Triebe, zum Beispiel einem vorbeikullernden Ball eben nicht hinterher zu rennen) und das Abrufen aus der Distanz angeht, wird es dann schwieriger – aber so gut kennen wir beide einander ja schließlich auch noch nicht. Überhaupt ist das Thema „Bindung“ von solch grundlegender Bedeutung, dass es in der Hundeschule von Sabine Wedderhoff ein eigenes Kapitel einnimmt.

Wie sich das Vertrauen zwischen Hund und Mensch spielerisch festigen lässt, wird mir schnell klar, als wir uns im zweiten Teil des Unterrichts dem Agility-Parcours zuwenden: Mutig flitzt Buddy, der flinke Dackel-Mix, durch den dunklen Tunnel, derweil sein Frauchen ihn schon voller Begeisterung am Ausgang der Röhre erwartet. „Toll gemacht, Buddy!“ Mika, die aufgeweckte Friesische Vorstehhündin, balanciert elegant über die Holzwippe, während der vor Temperament strotzende Pepe von seinem Herrchen ganz ohne Leine über den Longierzirkel gelotst wird. Zwischen Reifen und Slalomstangen, kniffeligen Intelligenzspielen und bunten Hindernissen aller Art herrscht unbeschwerte, fröhlicher Motiviertheit.

Üben bis der Klicker klickt

Was nicht sofort klappt, wird geduldig so lange wiederholt, bis der Klicker klickt und die Belohnung übergeben ist. Neben den eifrig schmatzenden Hundeschnauzen bezeugen vor allem die glücklichen Gesichter der stolzen Herrchen und Frauchen, dass das Konzept der positiven Verstärkung auf artübergreifender Gegenseitigkeit beruht: Was für den Vierbeiner die köstliche Kalorie, ist für den Zweibeiner die gelungene Verständigung. Doch irgendwann ist auch die tiefste Leckerli-Tasche leer – und so trottet Taboo schließlich schwanzwedelnd zu Sabine Wedderhoff zurück. Ein letztes Mal wendet er sich mir zu – wohlerzogener Hund, der er ist: „Gut gemacht, Mensch“, funkelt der Schalk aus seinen Hundeaugen, „bist ja eine ganz eine Brave, was?“

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 20.06.2018)