Was geschickte Hände und ein kreativer Kopf aus einem gewöhnlichen Siedlungsgarten zaubern, lässt sich schwerlich in Worte fassen: Ein zentraler Teich, eine verwunschene Grotte, urige Sitzecken – davon fast ein halbes Dutzend. Sogar einen Außenwhirlpool mit Blick über die Landschaft beherbergt das kleine Grundstück. Wie haben Heidrun und Reinhard Bailly all diese Mini-Lieblingsplätze bloß so stimmig zusammen gepuzzelt?
Die wesentliche Zutat? Kunst!
Die ehemalige Grundschullehrerin blickt über ihr kleines Paradies und lacht – eigentlich, sagt sie, wisse sie das auch nicht so genau. Dabei steuert die 66-Jährige eine wesentliche Zutat für das harmonische Erscheinungsbild selbst bei: Seit ihrer Pensionierung gestaltet sie Skulpturen aus Ton und hat sich als Keramikkünstlerin in der Region einen Namen gemacht. Kein Wunder also, dass ihre bunt glasierten Blüten und gutmütigen Elche, ihre komischen Käuze und ihre mal neugierig, mal ernst blickenden Gestalten die verschiedenen Elemente des Gartens zu einem Gesamtkunstwerk verbinden.
Phase eins: eine Kuhle und ein Hügel aus Sand
Als Heidrun Bailly und ihr Mann das kleine Häuschen am Westerkappelner Mühlenbusch vor drei Jahren übernommen haben, sah es dort noch anders aus. „Der Blick aus dem Fenster über die weiten Felder hat uns aber irgendwie an unsere Zeit in Schweden erinnert“, erzählt das Gründungsmitglied des Lotter Kunstkreises. „An Schweden – bloß ohne Wasser.“ Und weil das Land im Norden ein weiterer Lieblingsplatz der Familie Bailly ist, war schnell klar: Ein Teich musste her, um die Anspielung perfekt zu machen. Die Hausherrin weist mit vager Geste über die verschlungenen Kieswege und üppigen Inseln aus violett blühendem Fingerhut. „Also haben wir hier ein Loch ausgehoben.“ Das Ergebnis sei zunächst nicht sehr überzeugend gewesen. „In dieser Phase bestand unser Garten aus einer Kuhle, einem Sandhügel – und drum herum standen ein paar alte Bäume.“
„Ich bin eine kreative Chaotin“
Doch auch, wenn Heidrun Bailly schon immer einen klaren Blick und ein geschicktes Händchen besessen hat und als junge Frau am liebsten Architektur studiert hätte – „bin ich keine Landschaftsgärtnerin“, sagt sie und zuckt bedauernd mit den Schultern. „Eher eine kreative Chaotin.“ Den Elan und den Optimismus einer erfahrenen Pädagogin sollte man allerdings niemals unterschätzen: Sie und ihr Mann griffen beherzt zum Spaten – und Schippe für Schippe, Schweißtropfen für Schweißtropfen, nahm ihr Traum Gestalt an. „Die Struktur entsteht oft einfach beim Tun“, zieht die Künstlerin eine zufriedene Bilanz. Und so abwechslungsreich diese Struktur – so viele liebevoll gestaltete Nischen mit originellen Details sind auf diese Weise dann am Ende auch entstanden. Außer dem „Platz unter den Kirschen“ und dem „Erdbeerplatz“ lädt gleich neben dem Teich der zentrale und weithin sichtbar ausgeschilderte „Prinz Karl Platz“ zum Verweilen ein. Was es mit ihm auf sich hat? „Hier habe ich, nachdem der Garten endlich fertig war, die Nachbarn auf ein Stückchen meiner Lieblingstorte eingeladen: Prinz-Karl-Torte.“
Zum ersten Mal Heimweh gespürt
Geboren in der Rhön, studiert in Bielefeld, gewohnt in Osnabrück und Wersen, hat Heidrun Bailly zu ihrem bunt angestrichenen Häuschen, dem verwunschenen Garten samt Werkstatt und Ausstellungsraum schon in den wenigen Jahren, die sie und ihr Mann jetzt dort leben, eine besondere Beziehung aufgebaut. „Wenn ich mal eine Zeit lang weg bin, bekomme ich Heimweh nach diesem Zuhause“, sagt sie. „Und dieses Gefühl war mir vorher gänzlich fremd.“ Schöner kann man einen Lieblingsplatz wohl kaum beschreiben.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 10.06.2015; Westfälische Nachrichten, 10.06.2015)