Einem Mann erscheint die Gestalt seiner längst verstorbenen Mutter, die ihn vor einem bevorstehenden Unglück warnt. Ein kleiner Junge berichtet nach einem schweren Unfall davon, wie ihm zwei hochgewachsene Wesen den Eintritt durch ein riesiges Tor versperrt und ihn zurück auf die Erde geschickt hätten. Hirngespinste? Humbug? Esoterisches Wunschdenken? Oder tatsächlich so passiert?
Raum für allerlei Spekulationen
Ob sich der menschlichen Existenz nach einem Leben im Diesseits auch noch ein Fortbestehen im Jenseits eröffnet, bietet Raum für allerlei Spekulationen. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen beschäftigen sich sowohl die verschiedenen Religionen wie auch die naturwissenschaftliche Forschung mit diesem Rätsel. Der Georgsmarienhütter Johannes Michels, langjähriger Direktor des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte in Osnabrück, hat eine klare Meinung zum Jenseits: „Es existiert.“
Den Dingen auf den Grund gehen
Johannes Michels, geboren am 15. November 1938 in der Eifel, ist ein Mann, der den Dingen gerne auf den Grund geht. Das merkt man schnell, wenn man sich mit ihm unterhält. „Ich will ja hier niemandem ein X für ein U vormachen“, stellt er, angesprochen auf das doch eher umstrittene Feld der Berichterstattung aus dem Jenseits, fest. Und weil Michels von Hause aus nicht nur ein erfahrener Pädagoge und Erziehungs-, sondern auch Sprachwissenschaftler, emeritierter Universitätsprofessor – und als wäre das noch nicht genug, vor allem ein so begnadeter wie leidenschaftlicher Didaktiker ist, legt er gleich mit einer Erklärung los.
Dem Leser kein X für ein U vormachen
Jemandem ein X für ein U vormachen, führt Michels aus, diese Redewendung komme aus dem Lateinischen und müsse originalgetreu eigentlich ,jemandem ein X für ein V vormachen‘ heißen – abgeleitet von den römischen Ziffern X für 10, und V für 5. „Wenn mir also jemand fünf anstelle von zehn Euro gibt – dann betrügt er mich“, erläutert der begeisterte Germanist mit breitem rheinischen Akzent. Und genau das: Betrügen, Aufschneiden, Hochstapeln – das wolle er eben auf gar keinen Fall. Nach anfänglicher Skepsis, akribischer Recherche und eingehender Prüfung des Materials komme er allerdings nicht um die Schlussfolgerung umhin: „Nahtoderfahrungen und Warnungen aus dem Jenseits müssen wir als Tatbestände ansehen.“
Träumerei, Kappes, Kokolores?
Dass diese Behauptung für den einen oder anderen, eher rational veranlagten Leser, ziemlich befremdlich sein dürfte, ist dem Vermittler zwischen den Welten durchaus klar: „Natürlich stellt die Annahme einer Existenz im Jenseits unser gewohntes Weltbild erst einmal auf den Kopf“, erinnert sich der 78-Jährige noch lebhaft an seine eigene Reaktion, als seine Schwägerin ihm von einer Botschaft erzählte, die sie von einer ihr nahestehenden, verstorbenen Person aus dem Jenseits erhalten habe. „Träumerei. Kappes. Kokolores“, habe er das alles erst einmal abgetan. Doch die Berichte mehrten sich, das Interesse des Wissenschaftlers Michels war geweckt – und in bewährter Manier beschloss er, auch dieser Sache auf den Grund zu gehen.
Berichte über Nahtoderfahrungen
„Als ich angefangen habe zu recherchieren, bin ich auf ein Netzwerk von Menschen mit Nahtoderfahrungen gestoßen“, berichtet der Autor. Aus den Schilderungen der Betroffenen sei dann im Jahre 2008 sein erstes Buch „Zu Besuch im Himmel“ entstanden, das Ende Oktober in einer erweiterten Neuauflage erscheinen werde. „Seitdem habe ich massenhaft weitere Gespräche geführt“, sagt Michels. Sogar aus den USA und aus Russland hätten sich Personen bei ihm gemeldet. Im Laufe der Auseinandersetzung mit der Thematik habe sich für ihn bestätigt, dass Nahtoderfahrungen sich zumeist im Zustand der Bewusstlosigkeit ereigneten, Warnungen aus dem Jenseits aber auch bei klarem Verstand empfangen würden. „Das ist ein ganz neuer Schritt – das bringt uns ein Riesenstück weiter“, bewertet der GMHütter seine aktuellen Ergebnisse.
Keine Hilfe bei der Steuererklärung
Was bedeutet die Erkenntnis eines Jenseits für den Wissenschaftler Michels? „Nun ja, selbst wenn ich weiß, dass es auf der anderen Seite weitergeht und dass die Toten uns helfen wollen und vor Unheil zu bewahren versuchen, muss ich die normalen Probleme meines Alltags doch weiterhin selber lösen“, sagt er. „Wenn ich meine Steuererklärung machen muss, hilft mir eine Nahtoderfahrung nicht weiter.“ Auch habe bisher noch kein Verstorbener versucht, explizit zu ihm persönlich Kontakt aufzunehmen bemerkt er – und hat auch dafür eine Erklärung parat: „Das würde dem Toten leider sowieso gar nichts bringen – für Botschaften aus dem Jenseits bin ich nämlich nicht empfänglich“, gibt der 78-Jährige achselzuckend zu bedenken: „Da steht uns einfach meine Hemdsärmeligkeit im Wege.“
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 06.10.2017)