Wer schon in jungen Jahren in den Genuss von gesundem, abwechslungsreichem Essen kommt, ernährt sich auch als Erwachsener bewusst. Kein Wunder also, dass die Kitas und Familienzentren in Lotte und Westerkappeln auf ausgewogene Mahlzeiten setzen.
Während die meisten Einrichtungen sich dafür entschieden haben, sich von externen Anbietern täglich mit frisch zubereiteten Gerichten beliefern zu lassen, betreiben die Awo-Kitas in Halen und Westerkappeln sogar eigene Küchen, aus denen es zuverlässig von montags bis freitags jeweils zur Mittagszeit verführerisch duftet. Als zweifache Mutter bin ich neugierig, wie es den Mitarbeiterinnen gelingt, an jedem Wochentag mehr als hundert hungrigen Kindermägen und genauso vielen kritischen Gaumen gerecht zu werden.
Immer der Nase nach
Einfach der Nase nach… mmmh… ein Hauch von gebratenem Käse liegt in der Luft… sehr vielversprechend! Während ich quasi mit geschlossenen Augen den Flur der Awo-Kita in Westerkappeln entlang schwebe, schnurstracks der Küche entgegen, läuft mir das Wasser im Munde zusammen. „Dass wir hier in unserem anerkannten Bewegungskindergarten mit Pluspunkt Ernährung das Essen für die Kinder selbst und natürlich immer frisch zubereiten“, sagt Elke Ursinus, „das wissen die Eltern schon sehr zu schätzen.“ Die Kita-Leiterin nickt zufrieden.
Selbstversorgung bedeutet Aufwand
Zwar bringe die Selbstversorgung auch eine Menge Arbeit mit sich – ein dreiköpfiges Team, bestehend aus einer Hauswirtschafterin und zwei Aushilfen, ist durchgehend in der Küche beschäftigt; zweimal in der Woche liefert ein Lebensmittelhändler aus dem Ort frische Ware an; und regelmäßig schaut ein Vertreter des Amtes für Lebensmittelüberwachung vorbei, um die hygienischen Standards zu kontrollieren, unangemeldet versteht sich – „Aber das alles ist es uns wert“, lässt Elke Ursinus keinen Zweifel daran, dass sie und ihre Mitstreiterinnen aus voller Überzeugung hinter der Entscheidung stehen. „Selbst gekochtes Essen, das kommt bei den Kindern super an – und auch bei unseren Erzieherinnen“, erklärt die Kita-Leiterin mit einem Augenzwinkern.
Hygiene wird großgeschrieben
Soviel also zum theoretischen Unterbau. Nun aber schnell weiter Richtung Praxis. Um die kümmern sich nämlich schon seit einer guten Stunde Anja Hubert und ihre beiden Kolleginnen Gudrun Meyer zu Uptrup und Christa Stiegemeyer. Als ich die geräumige Küche betrete, gibt’s erstmal ein Paar Einweghandschuhe über die Journalistenpfoten – der Hygiene wegen. „Sie wollen uns heute also helfen, das ist aber nett“, lotst Anja Hubert mich charmant zur Küchenmaschine. Dort warten bereits sechs Kilo Möhren auf mich, die geraspelt werden müssen. „Geschält habe ich die aber gerade schon“, gibt Gudrun Meyer zu Uptrup mir grünes Licht: Start frei, Motor an!
Aus dem Fundus von Annelore Melcher
Möhren raspeln – das kann ich zum Glück. Wie gut, dass ich nicht den Job von Christa Stiegemeyer übernehmen muss, die an diesem Vormittag Pi mal Daumen 250 Käsekrustis parallel in drei Pfannen brät. „Alles eine Sache der Erfahrung“, wiegelt die Westerkappelnerin gelassen ab und lässt gekonnt die nächste Portion Teig aus Vollkornmehl, Eiern, Zwiebeln und geriebenem Käse ins zischende Öl gleiten. Das Rezept stamme übrigens, wie viele andere auch, noch aus dem bewährten Fundus ihrer inzwischen in Rente gegangenen Vorgängerin Annelore Melcher.
Drei-Gänge-Menü für 150 Personen
„Klappt’s bei Ihnen?“, erkundigt sich Gudrun Meyer zu Uptrup freundlich und blickt auf die restlichen Möhren. Die Evinghausenerin ist heute für die Beilage, den Salat, zuständig und hat ihren Part an Äpfeln bereits geschnippelt. Ich schiebe meinen Berg aus oranger Raspelrohkost zu ihr hinüber – und schon bald hat sie die Zutaten verrührt, mit Zitronen-, Orangen- und Apfelsaft, Öl, Agavendicksaft und einer Prise Salz verfeinert und in die Portionsschüsseln für die einzelnen Gruppen gefüllt. Von den 165 Mädchen und Jungen, die zurzeit die Kita besuchen, haben sich heute 150 Kinder zum Essen angemeldet. Derweil legt Anja Hubert ihren überdimensionalen Stampfer aus der Hand, mit dem sie – unter Aufbietung reiner Muskelkraft – soeben 18 Kilo gekochte Kartoffeln zu Püree verarbeitet hat. Sie holt mehrere Listen hervor und erklärt mir geduldig, was mir – selbst nach der jahrelangen Kocherei für meine eigenen, nur zwei, Kinder – doch immer ein Rätsel geblieben ist: die Sache mit der Logistik und dem Organisieren.
Schokopudding und Schlaumeier-Suppe
Des Rätsels Lösung liegt in einer langfristigen Vorbereitung: Das Küchenteam erstellt auf vier Wochen ausgelegte Essenspläne, die dann für alle zur Ein- und Übersicht ausgehängt werden. „Dabei dürfen die Gruppen vorher natürlich auch Wünsche äußern und Vorschläge machen“, erklärt Anja Hubert. Einer der Renner sei beispielsweise die Schlaumeier-Suppe, der Nudel-Spinat-Hack-Auflauf und als Nachtisch natürlich: Schokoladenpudding! Täglich aktuell reichen die einzelnen Gruppen dann jeweils weitere Listen herein, aus denen hervorgeht, ob es krankheitsbedingte Ausfälle gibt, und wie viele Allergiker, Vegetarier oder muslimische Kinder mitessen, deren spezielle Bedürfnisse es zu berücksichtigen gilt.
Frische Zutaten aus der Region
„Wir bereiten hier jeden Tag eine Hauptspeise mit Beilage, in der Regel einen Salat, und einen Nachtisch zu“, erläutert die Küchenchefin das kulinarische Spektrum. Die Zutaten seien frisch und möglichst aus der Region, auf Zusatzstoffe werde verzichtet. Anja Hubert, Christa Stiegemeyer, Gudrun Meyer zu Uptrup und ich füllen die einzelnen Gänge in Portionsschüsseln ab, die gleich darauf von den Kindern und Erzieherinnen abgeholt werden. Gegessen wird in den einzelnen Gruppenräumen. „Und was machen Sie mit den Resten?“, frage ich das Küchenteam. Die drei Frauen sehen einander an: „Eigentlich wird immer alles aufgegessen“, sagen sie schmunzelnd. Und Kita-Leiterin Elke Ursinus fasst mit sichtlichem Stolz zusammen: „Unsere Kinder essen gut und gerne – ein klares Zeichen dafür, dass die Küche stimmt!“
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 20.12.2017)