Von einem der auszog, Kunst zu schaffen

Sicher verpackt in Polsterfolie, transportiert Sebastian Bartel seine Gemälde von ihrem Entstehungsort im Stift Börstel zum Ausstellungsort nach Bersenbrück. Foto: Ulrike Havermeyer

Was dabei herauskommt, wenn man sich – allein, und dann auch noch nachts! – in einen tiefen, dunklen Wald hineinwagt, zeigt der Kölner Künstler Sebastian Bartel in seiner Ausstellung „Nightwalk“, die am Freitag in der Kreissparkasse Bersenbrück eröffnet wird.

Drei Monate lang hat Sebastian Bartel, Träger des Franz-Hecker-Stipendiums der Kreissparkasse Bersenbrück, im Stift Börstel verbracht. Hat sich mit der Geschichte und der Symbolik des Ortes vertraut gemacht, hat die Stimmung rund um das ehemalige Zisterzienserinnenkloster inhaliert und, vielleicht das wichtigste: hat die Landschaft und die Wälder, die das Stift umgeben, akribisch erkundet. „Die Vergangenheit des Stifts und seine Entwicklung, die Abgeschiedenheit – das alles strahlt schon eine sehr spannende Ambivalenz aus“, beschreibt der 35-Jährige seine Eindrücke: „Einerseits hat dieser Ort etwas sehr Märchenhaftes, andererseits lässt sich die Stimmung aber auch als beunruhigend, manchmal sogar als bedrohlich wahrnehmen.“ Und das vor allem: nachts! Doch einem wie Bartel, dem die Finsternis eines Sternenhimmels allein noch nicht ausreicht, der den Nervenkitzel so richtig intensiv und hautnah spüren will, der muss eben mitten hinein ins Zentrum der Befindlichkeiten – in den tiefen, dunklen Wald…

Nur mit Fotoapparat und Taschenlampe

„Bewaffnet nur mit Fotoapparat und Taschenlampe bin ich also nachts durch die Wälder rund ums Stift gewandert“, berichtet er – und ein gewisser wohliger Schauer ist ihm bei dieser Erinnerung durchaus noch anzumerken. Der Meisterschüler und bereits mehrfach ausgezeichnete freie Maler ist allerdings nicht ausgezogen, um das Fürchten zu lernen, sondern um Kunst zu schaffen. „Im Lichtstrahl der Taschenlampe, der wie ein Spot funktioniert und die Dinge auf sehr markante Weise fokussiert, verändern sich die Farben und die Strukturen“, hat Bartel bei seinen „Night Walks“ (Nachtwanderungen) festgestellt. Vom Sturm umgeworfene Bäume, in sich verdrehtes Geäst, das feuchte Laub an den Zweigen – verwandeln sich in, ja was denn eigentlich…?

Plötzlich ein lautes Grunzen … sehr nah!

„Die Sinne schärfen sich in einer solchen Atmosphäre“, erzählt der in Köln lebende Künstler, „man wird empfindlicher für Geräusche.“ Ob er Angst gehabt habe? „Nein“, lautet seine entschiedene Antwort. Dann aber folgt doch noch ein nachdenkliches Schmunzeln und ein Zugeständnis: „Was einem da schon hin und wieder an beunruhigenden Gedanken durch den Kopf schießt, ist ja in der Regel völlig irrational.“ Mit dieser nüchternen Erkenntnis habe er die größten Unsicherheiten schnell vertreiben können. „Bloß einmal…“, schüttelt Sebastian Bartel den Kopf und lacht auf – im Rückblick dann doch einigermaßen erleichtert. „Da habe ich plötzlich ein lautes Grunzen gehört … sehr nah…“ Ein Wildschwein! Weil er sich aber vor seinen nächtlichen Ausflügen zum Glück sowohl mit Äbtissin Britta Rook als auch mit den örtlichen Jägern ausgetauscht habe, wusste er, dass in dieser Situation ein geordneter Rückzug die einzige Option ist.

Nächtlich verfremdete Vertrautheiten

Die Fotografien nächtlich verfremdeter Vertrautheiten hat der abenteuerlustige Künstler dann anschließend in der konzentrierten Abgeschottetheit seines Ateliers auf Zeit im Stift Börstel in faszinierende Bilder und Zeichnungen umgesetzt. Wer also Lust auf ein gepflegtes Gruselerlebnis hat oder sich einfach nur zu einem „Night Walk“ durch die Märchenlandschaft in seinem eigenen Inneren inspirieren lassen möchte, sollte sich die großformatigen Werke von Sebastian Bartel in den Räumen der Kreissparkasse Bersenbrück nicht entgehen lassen.

(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 25.10.2017)