Die Chippendales haben in der Artland Arena in Quakenbrück die Hüllen fallen lassen und mit ihrer Stripshow das überwiegend weibliche Publikum in Ekstase versetzt. Vereinzelt wurden auch männliche Zuschauer gesichtet.
Prall gefüllte Herrenslips. Sich verheißungsvoll bauschende Boxershorts. Quakenbrück im Ausnahmezustand. Die Chippendales – das ist eine von hinten nackige, beeindruckend gut gebaute Boygroup aus den USA, die nicht singen kann. Dafür aber umso besser tanzen. Die zehn Adonis gleich gewachsenen Beaus haben sich darauf verlegt, mit den voyeuristischen Phantasien ihres weiblichen Publikums zu spielen. Und sind damit seit 1979 – in wechselnder Besetzung – international erfolgreich. Wobei ein Blick auf die Zuschauerinnen mindestens so spannend ist wie auf die Körper der durchtrainierten Stripper.
Ein Prosit auf die Nackedeis
Die einen sehen aus, als wären sie auf dem Weg zum Abschlussball: Junge Frauen in schicken Pumps, eleganter Abendgarderobe und mit frisch gestylten Frisuren, das Clutch-Handtäschchen unter den Ellenbogen geklemmt. Andere setzten eher auf Lack und Leder und stakeln auf High Heels und im engen Corsagenkleid schulterfrei zu ihren Plätzen. Hier und da lassen die Damen auf dem Vorplatz der Artland Arena noch schnell die Sektflasche kreisen. Sie kichern. Sehen einander mit verschwörerischem Grinsen an: Zehn nackte Männer – so etwas gibt es in Quakenbrück, zumindest öffentlich, nicht alle Tage zu sehen. Selbst silberhaarige Seniorinnen haben sich in Schale geworfen, um einen Blick auf die Anatomie der Chippendales zu werfen. Man muss lange suchen, bevor man einen der wenigen männlichen Zuschauer ausmacht, die tapfer im Gejohle der weiblichen Chipps-Fans ausharren.
„Ausziehen! Ausziehen!“
Noch zehn Minuten bis zur Show. Erste „Ausziehen! Ausziehen!“-Rufe hallen durch den Saal. Geschäftig ihr Smartphone konsultierende Mittvierzigerinnen in Businessware wahren äußerlich die Contenance. Sie wirken, als schauten sie vor ihrem Termin bei der Vorstandssitzung nur mal kurz vorbei, und als behielten sie sich vor, die Vorstellung gegebenenfalls auch früher zu verlassen. Doch kaum hat sich der Vorhang geöffnet, können auch sie einen spitzen Schrei der Begeisterung nicht unterdrücken.
Ausgefeilte Choreografie
Mit ihren durchtrainierten Körpern und einer ausgefeilten Choreografie liefern die zehn Chippendales in den kommenden anderthalb Stunden Fitness-Studio-Erotik nonstop. Sie lassen als Cowboys ihre Hüllen fallen, als Marine-Offiziere, als Cops, als Bauarbeiter, als Buschmänner – und posieren barbrüstig und mit aufreizend kreisenden Pobacken. Doch was die frontale Sicht auf ihren Unterleib betrifft, halten sich die Chippendales bedeckt. Mal verdeckt der Cowboyhut, mal der Basketball den Blick auf das Wesentliche. Da nützen auch alle „Ausziehen!!!“-Rufe nichts.
Hautnahe Aquise
Zu Beginn jeder Nummer wird ein Sixpack nach dem anderen entblößt, der Griff in den Schritt gehört ebenso unverzichtbar zur Show wie der aufreizend ausgeführte Liegestütz oder die hautnah betriebene Akquise von willigen Kandidatinnen, die anschließend auf der Bühne – mal mit Humor, mal leicht irritiert – gute Miene zu den Macho-Spielen machen. Am Ende der jeweiligen Akte wackeln wieder die nackigen Hinterteile Richtung Publikum.
Hang zum Stereotyp
Ob anzügliche Pose, breites Sonnenschein-Grinsen oder ölig glänzender Sixpack – die Chipps neigen zum Stereotyp. Irgendwie erinnert jeder der zehn Stripper dann am Ende doch auffällig an Barbies enttäuschend tumb wirkenden Freund Ken, der seit den 1960er Jahren sein ebenfalls klischeegerechtes Modepüppchen als maskulines Pendant begleitet. Aber seien wir ehrlich – selbst den wünschen sich manche Mädchen hin und wieder zum Spielen.
(Erschienen in: Bersenbrücker Kreisblatt, 02.10.2016)