In guten wie in schlechten Zeiten – Familienbetrieb eben …

Mit viel Unterstützung von der Familie, den Mitarbeitern und Nachbarn haben Christiane und Georg Fels eine harte Zeit überstanden. Foto: Ulrike Havermeyer

Nach seinem Lieblingsplatz gefragt, atmet Georg Fels erst einmal tief durch. Sein Blick schweift etwas ratlos ins Leere. Seine Gedanken rattern zurück durch das vergangene halbe Jahr. Überall, soviel stehe fest, sei es schöner als auf der Intensivstation.

Dort ist der 52-jährige Gartenbauingenieur in den vergangenen sechs Monaten gleich dreimal medizinisch behandelt worden. „Ernste Sachen“, sagt der gebürtige Billerbecker, der vor elf Jahren in Westerkappeln seinen eigenen Betrieb eröffnet hat. Das erste Mal diagnostizierten die Ärzte ein Blutgerinnsel im Gehirn. Das zweite Mal eine neuerliche Blutung unterhalb der Schädeldecke. Das dritte Mal eine Lungenembolie. Von jetzt auf gleich lag der dreifache Familienvater, der Unternehmenschef, der Malocher, der selbst mit anpackt, dessen Arbeitskraft fest eingeplant ist, im Krankenhaus. Totalausfall.

Wenn der Alltag sich verändert

„Das erste Mal war am 21. März – da ist bei uns Hauptsaison“, schüttelt Georg Fels den Kopf, noch immer reichlich fassungslos darüber, wie schnell und unerwartet sich so ein Alltag verändern kann. Für die Familie. Für die Mitarbeiter. Für ihn. Müde habe er sich an diesem Vormittag gefühlt, erinnert er sich. „Ich hatte leichte Kopfschmerzen und dann auch zunehmend Gehprobleme.“ Breitbeinig wie ein Seemann sei er durch die Baumschule geschwankt. Dass die Symptome von einem, in Gedanken längst abgehakten, Sturz im Skiurlaub herrührten, habe er nicht geahnt. „Der Unfall war ja schon zehn Wochen her – und mir hat danach nichts wehgetan.“ Für seinen Hausarzt allerdings sei der Zusammenhang gleich klar gewesen: „Du musst sofort ins Krankenhaus“, habe der die Regie übernommen. Ein paar Stunden später lag Fels in der Röhre: Magnetresonanztomografie. Und danach die Aussage der Ärzte: „Herr Fels, wir müssen Sie hierbehalten und Ihren Schädel öffnen.“

In die Bresche gesprungen

Geht nicht. Das sei seine erste Reaktion gewesen. Doch dann habe es ihm gedämmert, wie viel Glück er eigentlich gehabt habe. „Das hätte ja auch alles ganz anders ausgehen können…“, murmelt er – und wieder geht sein Blick ins Weite. Während Fels auf dem OP-Tisch behandelt und anschließend weiter auf der Intensivstation betreut wurde, sprangen zuhause die Familie und die Mitarbeiter in die Bresche. Und da fängt die Sache mit dem Lieblingsplatz von Georg Fels an. „Meine Frau hat einen riesigen Fallschirm über mir aufgespannt, der mich durch diese Zeit getragen hat“, beschreibt er, „und die Mitarbeiter haben die Aufgaben im Betrieb ganz automatisch von sich aus übernommen.“ Baustellen betreuen. Material besorgen. Kundengespräche führen.

„Chef, wir sind doch Familie“

Georg Fels lächelt und kommt aus dem Staunen noch heute nicht heraus: „Wir regeln das, hieß es einfach.“ Basta. Als ob nicht jeder der acht Festangestellten in der Hauptsaison ohnehin schon genug zu tun gehabt hätte. „Das musste ja alles noch nebenher laufen“, wird er nicht müde, sein Team zu loben. „Chef, wir sind doch Familie“, dieser Satz eines Mitarbeiters bringe es auf den Punkt. Seitdem hat die Bezeichnung „Familienbetrieb“ eine neue Bedeutung für den Gartenbauingenieur. Wenn Lieblingsplatz, dann dieser Familienbetrieb.

Zu viel zu früh zugemutet

Wie stark der Zusammenhalt wirklich ist, sollten die kommenden Wochen erst noch zeigen. Denn kaum war der Chef, mit zwei halbwegs verheilten Bohrlöchern in der Schädeldecke, wieder zuhause – „Dass die Ärzte meinem Mann zu einer Reha geraten haben, hat er mir natürlich nicht erzählt“, bemerkt seine Frau Christiane und sieht Georg Fels dabei besorgt an – rebellierte sein Kopf noch einmal: Fels hatte sich zu früh zu viel zugemutet, eine weitere Hirnblutung setzte ein. „Um 11 Uhr war ich zuhause angekommen, um 16 Uhr lag ich schon wieder im Krankenhaus.“

Gefüllte Kochtöpfe und Kuchen

Das Spiel begann von vorne: Operationssaal, Intensivstation. Heilungsprozess. Diesmal inklusive einer vierwöchigen Reha im Anschluss. Zuhause hielten seine Frau, seine drei schulpflichtigen Kinder und seine Mitarbeiter den Familienbetrieb am Laufen. „Auch wenn alles super geklappt hat, war das eine ungeheure Belastung für jeden“, hebt Fels den Einsatz der Beteiligten hervor. Und Christiane Fels ergänzt, dass auch die Nachbarn eine Menge abgefangen hätten: „Es ist kein Tag vergangen, an dem nicht ein gefüllter Kochtopf oder ein Kuchen vor der Haustür stand.“

Bittere Ironie des Schicksals

Doch die Ironie des Schicksals ist manchmal schwer zu ertragen: Just an dem Morgen, als Georg Fels zur Abschlussuntersuchung seines Schädeltraumas einen Termin im Krankenhaus wahrgenommen und die Ärzte ihm mitgeteilt hatten, dass sie mit dem Heilungsprozess sehr zufrieden seien, verrutsche ihm auf dem Weg zum Auto der Verband an seinem Bein. Fels erklärt: „Ich wurde wegen einer Thrombose behandelt, das Bein war leicht geschwollen und sah etwas merkwürdig aus.“ Noch vom Parkplatz aus rief er seinen Hausarzt an. Der ließ sich die Symptome beschreiben – Kurzatmigkeit, Schmerzen im Brust- und Herzbereich – und ordnete an: „Du gehst jetzt sofort in die Notaufnahme und sagst denen, dass bei dir akuter Verdacht auf eine Lungenembolie besteht.“ Der Verdacht bestätigte sich.

Die Segel sind gesetzt

Der Westerkappelner hat die Intensivstation mittlerweile verlassen und arbeitet bereits wieder „mit halber Kraft voraus“ im Betrieb. Seinen taumelnden Seemannsgang hat er längst überwunden und stattdessen in erstarkter Bodenständigkeit die Segel für die kommende Saison gesetzt. „Meine Leute haben ein Auge auf mich“, freut er sich über die Aufmerksamkeit, „das gibt mir ein gutes Gefühl.“ Familienbetrieb eben.

(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 13.09.2017)