Die Energie des Sommers lässt sich am besten über Fotovoltaik-Anlagen nutzen. Um seine Farbe und seinen Geschmack einzufangen, bildet aber eindeutig Erdbeermarmelade das perfekte Trägermedium. Das weiß auch das Team vom Jugendzentrum Bansen.
Wo bleibt nur Ulla Tschauder? Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf, besagt ein afrikanisches Sprichwort. Um die Spezialerdbeermarmelade à la Bansen zuzubereiten, braucht es vor allem Ulla Tschauder. Die erfahrene Sozialpädagogin weiß nämlich nicht nur, wie man quirligen Grundschülern die Kunst des Schnippelns und Pürierens vermittelt, sie hat überdies auch noch jede Menge Ahnung von heimischen Obstsorten und deren Verarbeitung. Und einen eigenen Garten hat die langjährige Leiterin des Alt-Lotter Jugendzentrums auch. Darin wachsen unter anderem köstlich süße Himbeeren und fruchtig rote Johannisbeeren. Ich kann das bestätigen – ich habe sie probiert. Während ich gewartet habe. Auf Ulla Tschauder…
Die Vorbereitungen laufen an
Weil also noch immer keine Erdbeeren, dafür aber die am Morgen frisch im Tschauder’schen Garten geernteten Himbeeren und Johannisbeeren bereits im Jugendzentrum eingetroffen sind, und die tatendurstige Truppe der Teilnehmer – Mädchen und Jungen im Alter von sechs bis acht Jahren sowie eine neugierige Journalistin mit zwei linken Händen – nach und nach eintrudelt, kann man ja schon einmal anfangen, die Vorbereitungen für das große Marmeladenfest einzuläuten, beschließen Betreuerin Doris Fulbrecht und die beiden FSJlerinnen Eileen und Christin. Das müsste schließlich auch ohne Erdbeeren und mit etwas Glück sogar ohne die hauswirtschaftskundige Chefin einigermaßen klappen.
Kerne und Schale aussieben
Wer schmackhafte und vor allem: leuchtend rote Erdbeermarmelade herstellen wolle, erklärt uns Doris Fulbrecht, der brauche mindestens noch eine weitere Frucht dazu. Auf der Basis jahrzehntelanger Erfahrung bevorzugt das Bansen-Team Him- und Johannisbeeren zur Verfeinerung. Die genaue Rezeptur und Gewichtung der einzelnen Komponenten, zuckt Doris Fulbrecht bedauernd mit den Schultern, die kenne allerdings nur Ulla Tschauder. Unter Anleitung von Eileen und Christin machen Felix (7 Jahre) und Olivia (6) sich beherzt daran, die kleinen Beeren durch die flotte Lotte zu reiben, sodass Kerne und Schale heraus gesiebt werden und ein zartes Püree entsteht. Sehr vielversprechend! Gemeinsam mit Hanna (8) und Yerum (7) bereitet Doris Fulbrecht währenddessen zwei Hefezöpfe zu: Denn als Krönung des Küchenzaubers wollen alle Beteiligten die Früchte ihrer Mühen am Ende des Nachmittags gemeinsam verköstigen.
Die allerletzten Früchte ergattert
„Was für ein Desaster!“ betritt Ulla Tschauder sichtlich angeschlagen die Bühne. Beinahe, keucht sie, wäre sie ohne die sehnlichst erwarteten Erdbeeren eingetroffen: „Wegen des ungünstigen Wetters gab es heute so wenige, dass sie fast überall schon ausverkauft waren.“ Aber Ulla Tschauder wäre nicht Ulla Tschauder, wenn sie die Situation nicht doch noch zu retten gewusst – und mit letztem Einsatz die allerletzten Früchte ergattert hätte. „Das ist ja eine ganz schöne Matscherei hier“, grinst sie mit Blick auf die flotte Lotte und deren emsige – und zunehmend rot gefleckte – Betreiber. Und ja, es genügt ein Blick auf die Bansen-Leiterin, um sie unverzüglich als Meisterin des Marmeladekochens zu identifizieren: Während die meisten von uns Grünschnäbeln in sommerliches Weiß gekleidet sind, trägt Ulla Tschauder ein gedecktes Dunkelblau: „Da fallen die Flecken nicht so auf.“ Sagt sie, bricht in ein ansteckendes Lachen aus – und übernimmt zur Erleichterung aller die Regie.
Geschmackstest unbedingt erforderlich
Die Erdbeeren werden gewaschen, in kleine Stückchen geschnitten und püriert. Anders als zu meinen Kinderzeiten ist Naschen bei Ulla Tschauder ausdrücklich erlaubt. „Geschmackstest“ – nennt sie das augenzwinkernd und stopft sich genüsslich eine Erdbeere in den Mund. Der müsse zwischendurch einfach gemacht werden um sicher zu gehen, dass die Qualität der Zutaten auch konstant den Anforderungen genüge.
In keinem Geschäft zu kaufen
Das lassen sich Celina (8), Jule (7) und die anderen natürlich nicht zweimal sagen: Es wird gefuttert und gelacht, gesungen und gekichert. Wer Erdbeermarmelade à la Bansen richtig zubereiten möchte, der muss eben nicht nur die Farbe und den Geschmack des Sommers einfangen, sondern auch den Spaß und die Fröhlichkeit, die man beim Verarbeiten der Früchte miteinander erlebt. Als das Erdbeer-Himbeer-Johannisbeer-Püree mit dem Gelierzucker vermischt, die Mischung aufgekocht, in Gläser gefüllt ist und anschließend erkaltet auf dem Hefezopf und in den Mündern der Kinder und einer neugierigen Journalistin mit zwei linken Händen landet, wird mir klar: So eine erlesene Erdbeermarmelade gibt es in keinem Geschäft zu kaufen – die kriegt man nun einmal nur bei Ulla Tschauder.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 05.07.2017)