Auch in Lotte und Westerkappeln wird die Kulturlandschaft von Getreidefeldern, Maisäckern und Mähwiesen geprägt. Wer unseren Nutztieren beim Weiden zusehen möchte, muss sich auf die Suche machen. Wir haben es getan – und sind fündig geworden.
Genau wie die aus knorrigen Baumstämmen gefertigten Zaunpfähle sind in den vergangenen Jahren auch immer mehr Nutztiere aus der Landschaft verschwunden. Längst begeben sich vor allem die Milchkühe nicht mehr zum Gras, sondern das Gras – meist in Gestalt von Silage – zum Rindvieh. Zugegeben, um den pieksigen Drahtzaun ist es nicht schade. Aber potenzielle tierische Lieblingsplätze – wie extensiv genutzte Weideflächen – haben die Region mit ihrer Artenvielfalt stets bereichert. Und ist eine stattliche Kuhherde, die im Schatten liegt und dabei gemütlich wiederkäuend mit sanften Blicken den Tag beäugt, nicht das Sinnbild westfälischer Gelassenheit schlechthin? Bei einer frühsommerlichen Radtour durch die Gemeinden machen wir uns auf die Suche nach lebenden Relikten einer naturnahen Nutztierhaltung.
Nichts als den blauen Himmel über sich haben
Bis zu den Haxen im Schlamm stehen und nichts als den blauen Himmel über sich haben – der Lieblingsplatz von Hodor, dem stattlichen Bunte-Bentheimer-Eber auf dem Hof von Marcel Hackmann in Westerbeck, liegt jenseits des Radweges hinter den Stallungen des Betriebs. Gleich neben der Weide, auf der sich die Zuchtsauen im Sonnenschein tummeln. Wenn eine entspannte Atmosphäre und zufriedene Gesichter als sichere Anzeichen für einen Lieblingsplatz gelten, dann befinden wir uns hier mitten im Schweineparadies. Hodor ist der Stammvater einer munteren Ferkelhorde, die nach einem erquicklichen Sommer mit regelmäßigem Weidegang als Bio-Delikatesse auf dem Teller landet.
Der Trend geht zum Freilandei
Weiter geht es durch die Region: An attraktiv bestückten Pferdekoppeln mangelt es bei uns nicht – Sportpferde und Freizeitpartner genießen allerorten ihren Weidegang. Auch der Trend zum Freilandei spiegelt sich in der Landschaft wider: Um mobile Hühnerstallungen herum sind bunte Elektrozäune gespannt, hinter denen das Geflügel eifrig in der Krume nach Würmern und Insekten scharrt. Unter den zeltartig gewölbten Unterständen finden die Tiere Schatten und Schutz vor Greifvögeln. Ein paar Hähne sorgen dafür, dass das Leben im Freilandauslauf, auch was die soziale Organisation angeht, in geregelten Bahnen verläuft.
Sich im Hier und Jetzt des Lebens erfreuen
In den Halener Hasewiesen frönen drei Schafe zwanglos ihrem Lotterleben – eine weitere Kulisse mit eindeutigem Lieblingsplatz-Potenzial. Neugierig fixieren das Lamm und die beiden Alttiere den unerwarteten Besuch – um gleich danach wieder zum Alltagsgeschäft überzugehen: Dösen und sich dabei ganz im Hier und Jetzt des Lebens erfreuen.
Auf eine selten gewordene Nutztierart trifft man bei Christiane und Stefan Franke in Wersen: Auf ihrem naturnah gestalteten Areal rund um ein restauriertes ehemaliges Heuerhaus halten sie eine muntere Herde deutscher Milchziegen. Die fünfköpfige Schar – Bock, Ziege und drei Zicklein – tummelt sich je nach Lust und Laune auf einer weitläufigen Weide oder zieht sich in ihre komfortable Blockhütte zurück. Am liebsten knabbern die Fünf am herben Laub der Eichen herum.
Österreichisches Flair am Klausberg
Und wie ist es ums freilaufende Milchvieh bestellt? Gar nicht schlecht offenbar: Sogar in den größeren landwirtschaftlichen Betrieben haben die meisten Tiere die Gelegenheit, wenn auch kein Gras mehr zu rupfen, so doch in begrenzten Ausläufen zumindest eine Prise frische Luft zu schnappen. Mehrstündiger Weidegang ist dagegen ein echtes Privileg, in dessen Genuss nur noch wenige Herden kommen. Eine davon ist am Rande des Naturschutzgebiets Düsterdieker Niederung beheimatet. Wer sich als Rind einem urigen Sommer im hohen Gras hingeben will, sollte sich beruflich wohl eher in Richtung Ammenkuh orientieren. In Osterberg schiebt sich eine solche Gruppe aus säugenden Mutter- und hungrigen Jungtieren über eine idyllisch am Hang gelegene Weide – und verleiht dem Klausberg ein geradezu österreichisches Flair.
Vorsicht: Ansteckungsgefahr!
Fazit der Bestandsaufnahme: Lieblingsplätze können ansteckend sein. In einem oft bewusst artgerecht gestalteten Draußen-Ambiente fühlen sich nicht nur Rind, Eber und Co. (sau)wohl – auch bei dem einen oder anderen menschlichen Zweibeiner dürfte sich beim Anblick und beim Beobachten von Nutztieren an ihren Lieblingsorten waschechte Lieblingsplatz-Sehnsucht einstellen.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 14.06.2017; Westfälische Nachrichten, 14.06.2017)