Ob ich Kaffee koche oder mir die Haare wasche – selten genug wird mir bewusst, welch ein Privileg es ist, über sauberes Wasser einfach im „Hahnumdrehen“ zu verfügen. Einer, der diese Lebensqualität ermöglicht, ist der Wasserversorgungsverband Tecklenburger Land.
Rund 95 Prozent der Haushalte in den Gemeinden Lotte und Westerkappeln sind an das insgesamt 1685 Kilometer lange Leitungsnetz des 1959 gegründeten Wasserversorgungsverbands Tecklenburger Land (WTL) angeschlossen. Die restlichen fünf Prozent liegen zumeist in abgelegenen Bauerschaften und fördern ihr Trinkwasser über eigene Hausbrunnen.
116 Liter Wasser pro Tag pro Kopf
Einfach den Hahn aufdrehen – und schon sprudelt es heraus. Nahezu unbegrenzt und jederzeit. Etwa 116 Liter Wasser verbraucht der Durchschnitts-Tecklenburger-Ländler laut WTL pro Tag. Wohlgemerkt: in Trinkwasserqualität. „Man muss allerdings ganz klar sagen, dass wir in einem belasteten Gebiet leben“, gibt Rohrnetzmeister Berthhold Schweer vom WTL zu bedenken, „aber wir liegen aktuell auch beim Nitrat unterhalb des Grenzwertes.“ Dafür, dass seine Qualität derzeit bei uns noch immer unbedenklich ist, sorgt genau genommen das Wasser selbst. Denn das bekömmliche Lebenselexier hat eine beachtliche und vor allem: reinigende Reise hinter sich, bevor es bei uns im Glas, in der Tasse oder auf dem Teller landet.
Reinigende Reise durchs Erdreich
Die meisten der ungezählten Regentropfen, die auf uns herabregnen, bilden Pfützen und Bäche, Flüsse und Meere. Sie verdunsten und lassen Wolken entstehen, aus denen sie dann neuerlich auf die Erde herabfallen. Ein Teil des Regens aber versickert während des natürlichen Wasserkreislaufs im Erdreich, sucht sich seinen Weg durch allerlei Boden- und Gesteinsschichten in die Tiefe und wird zu wertvollem Grundwasser. „Indem der Wassertropfen durch verschiedene Erdschichten sickert und fließt, spielen sich eine Vielzahl von biologischen, chemischen und physikalischen Vorgängen ab“, beschreiben die Wasserexperten vom WTL diesen natürlichen Reinigungsprozess – und machen ihn sich zunutze: „Unser hochwertiges Trinkwasser war und bleibt immer frisches Grundwasser“, heißt es auf der Internetseite des Versorgungsverbands, „dessen technische Aufbereitung im Wasserwerk Brochterbeck im Grunde nur eine Ergänzung dieser natürlichen Reinigung ist.“
Das Trinkwasser, das jeden Tag aus den Leitungen in Lotte und Westerkappeln sprudelt, stammt zum Großteil aus dem Wasserwerk Thiene bei Alfhaussen und wird dem WTL von den Stadtwerken Osnabrück zugeliefert. Der Bereich Hollenbergs Hügel bezieht dagegen sein Trinkwasser aus dem Wassergewinnungsgebiet Brochterbeck/Dörenthe: Aus einer Tiefe von etwa 25 bis 30 Metern fördert der WTL dort das Grundwasser hinauf, bereitet es im Wasserwerk Brochterbeck, einem von insgesamt vier Anlagen des WTL, zu Trinkwasser auf, indem er überschüssiges Eisen, Mangan sowie Kohlensäure entfernt. Anschließend wird es über das Rohrnetzsystem bis zu einem der zwölf Hochbehälter des WTL geleitet (im Falle von Lotte und Westerkappeln in den Behälter in Westerkappeln) und fließt von dort aus – je nach Bedarf – in die Haushalte: klar, sauber und unbedenklich.
Die Folgen des Großreinemachens
Doch ausgerechnet immer dann, wenn die Sauberkeit seines Versorgungsnetzes beim WTL im Mittelpunkt steht, kommt es hin und wieder vor, dass statt eines glasklaren Wasserstrahls eine trübe Tunke aus den Hähnen rinnt. Warum das keineswegs eine peinliche Panne, sondern eine angekündigte, weil unvermeidliche Nebenwirkung des Großreinemachens ist, erläutert Rohrnetzmeister Berthold Schweer: „Wir versuchen, einmal im Jahr unser gesamtes Trinkwassernetz zu spülen. Dabei lösen sich die Ablagerungen, kleine Partikel aus Eisen und Mangan, in den Leitungen – was kurzzeitig zu einer leichten Verfärbung des Wassers führen kann.“
Gespült wir von 20 bis 4.45 Uhr
21.30 Uhr, Ortstermin in Wersen. Um die Trinkwasserleitungen zu spülen, schieben Thomas Düvel und Matthias Ebeler, Rohrnetzmonteure beim WTL, derzeit Nachtschicht. „Wir spülen von etwa 20 bis 4.45 Uhr“, sagt Ebeler. Zu dieser Zeit herrscht in den Haushalten der geringste Wasserverbrauch – da stört ein möglicher Druckabfall am wenigsten. Die beiden haben eine Straßenkappe am Wersener Teichweg geöffnet, ein Standrohr samt Zähler am Unterflurhydranten installiert und einen dicken Schlauch daran angeschlossen – aus dem heraus jetzt munter das Wasser herausschießt, um kurz darauf im Regenwasserkanal zu verschwinden. Mit der Frage, was für ein Reinigungsmittel die Monteure denn eigentlich für das Säubern der Leitungen verwenden, gebe ich mich endgültig als wassertechnisch komplett Ahnungslose zu erkennen. Denn, wie Berthold Schweer mir geduldig erklärt, braucht es hierfür keine Chemie. „Indem wir am Hydranten eine zusätzliche Abnahme erzeugen, erhöhen wir die Fließgeschwindigkeit des Wassers in dem jeweiligen Leitungsstrang von normal 0,1 bis 0,5 Meter pro Sekunde auf über einen Meter pro Sekunde.“
Einfach die Fließgeschwindigkeit erhöhen
Und diese Wucht allein reicht aus, damit sich die Ablagerungen lösen. Bei den älteren Rohren aus Guss oder Stahl, die noch aus den 60er Jahren stammten, komme es beispielsweise zu inneren Korrosionsreaktionen, erklärt mir der Rohrnetzmeister. Vereinfacht gesagt entsteht dabei eine Art von „Rost“, der das Wasser entsprechend rötlich-braun trübt. „Seit dem Jahr 2000 bauen wir nur noch Rohre aus Polyethylen ein“, erläutert Schweer, dass mittlerweile auch die PVC-Variante aus den 80er Jahren überholt ist.
„Alles klar – keinerlei Verfärbung zu sehen“
Matthias Ebeler fängt einige Liter Wasser aus dem Hydranten in einem weißen Plastikeimer auf. Die Sichtkontrolle ergibt: „Alles klar – keinerlei Verfärbung zu sehen.“ Ebeler und sein Kollege bauen ihr Material ab – und tuckern mit ihrem Fahrzeug zum nächsten Spülpunkt. 384 Hydranten gibt es in der Gemeinde Lotte, in Westerkappeln sind es 386. Zwar wird nicht jeder davon für das Spülen angezapft – aber dennoch dürfte das Reinigungsteam des WTL noch ein paar lange Nächte vor sich haben.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 05.2017)