Ob islamisches Zucker-, jüdisches Lichter- oder christliches Osterfest: Religiös bedingte Feiertage sind oft mit festen Traditionen verbunden. Die Kommunionkinder der St. Margaretha Gemeinde basteln gemeinsam Palmstöcke zu Palmsonntag. Ich besuche sie dabei.
Was für ein Gewusel! Als ich den Saal im Westerkappelner Reinhildis-Haus betrete, sehe ich den Wald vor lauter Buchsbaum nicht… In Kisten und Kartons, auf Arbeits- und Beistelltischen, in den Händen der gut 40 Kommunionkinder und deren Helfer – überwiegend Eltern und Mitglieder des Katechetenteams, auch ein paar Firmlinge sind dabei – überall: frisches Grün. Der ganze Raum ist vom herben Duft des Frühlings erfüllt. Dazwischen bunte Stapel aus derbem Kreppband: in rot, blau, gelb, orange. Weiterhin: Scheren. Rosendraht. Klebeband. Und natürlich das hölzerne Ausgangsmaterial als Symbol für den in der Bibel beschriebenen Palmwedel: der Stock. Ganz individuell von zuhause mitgebracht, mal als abgesägter Besenstiel aus dem Baumarkt, mal als naturbelassener Zweig.
Alles unter Kontrolle
Mittendrin in dem turbulent wogenden Meer aus flinken Händen, eiligem Getrappel und fröhlichen Kinderstimmen steht Pastoralreferentin Irmgard Heidemann. Und hat alles unter Kontrolle. Weiß, wie man das sperrige Kreppband mit einem kleinen Klebestreifen oben am Stock befestigt. Kann erklären, wie die Buchsbaumbüschel mit dem Rosendraht befestigt werden. Behält die Ruhe, selbst wenn ihr die Fragen um die Ohren fliegen wie ein Schwarm aufgekratzter Mücken. „Irmi – wo ist das blaue Band?“ – „Irmi – wie geht das mit dem Wickeln?“ – „Irmi, dürfen wir auch mehrere Farben nehmen?“
Umsichtiges und gelassenes Handeln
Was die Kommunionkinder aus Alt-Lotte und Westerkappeln, aus Wersen und Halen als spannende Premiere erleben, geht Irmgard Heidemann bewundernswert leicht von der Hand. So viele Male mitgestaltet und mitgeholfen hat sie, dass das Palmstockbasteln für sie längst zu einem persönlichen Ritual geworden ist. Auch das macht gute Traditionen aus: Sie geben bewährte Strukturen vor, vermitteln Sicherheit und ermöglichen sogar im dichtesten Buchsbaumdschungel umsichtiges und gelassenes Handeln.
Sehr hübsch, Rosalie!
Dann schwappt der Wellengang der Palmsonntagsvorbereitung auch zu mir hinüber: Voller Verve reckt mir Rosalie das Ergebnis ihrer handwerklichen Mühen entgegen. „Guck mal!“, fordert sie mich mit ansteckender Begeisterung auf und wedelt den rotgebänderten Palmstock, an dessen Buchsbaumkrone munter allerlei hell- und dunkelblaue Fähnchen wehen, vor mir herum. Sehr hübsch, Rosalie! Während die meisten Kommunionkinder mit der passenden Farbkombination für ihren Palmstock ringen, helfen die Jugendlichen und Erwachsenen weiter, wenn es holperig zu werden droht. „Das mit dem Rosendraht ist das schwierigste“, sind sich Mika, Florian, Emilie und Clara einig. „Palmstockbasteln ist Kooperation“, entgegnet Claras Vater Michael Erkes und wickelt geduldig den metallenen Widerborst um das sich nicht minder sträubende Grün. Kinder, Eltern, jugendliche und erwachsene Helfer gemeinsam – das hat ebenfalls Tradition in der St. Margaretha Gemeinde.
Muster auch mal hinterfragen
Allerdings: Auch über viele Jahre gepflegte Muster sollten hin und wieder hinterfragt werden: „Wir haben die Lebenssituationen der Familien unter die Lupe genommen und überlegt: Wie sieht eigentlich unser Zugang zur Kirche heute aus?“, erläutert die Pastoralreferentin. Aufgrund der Ergebnisse – unter anderem beansprucht die Schule mehr Zeit als früher – hat die St. Margaretha Gemeinde ihr Konzept für den Kommunionunterricht umgestellt. „Statt über ein halbes Jahr verteilt finden in diesem Jahr erstmals nur fünf themenbezogene Termine statt“, berichtet Irmgard Heidemann. So ist beispielsweise das Palmstockbasteln jetzt in die österliche Projektsequenz „Dem Geheimnis Jesu auf der Spur“ eingebettet.
Premiere am Palmsonntag
Der kommende Palmsonntag, der letzte Sonntag vor Ostern, steht dann aber wieder ganz im Zeichen des Altbewährten. „Um 11 Uhr ziehen die Kommunionkinder mit ihren Palmstöcken in die Kirche ein“, kündigt die Pastoralreferentin an. „Anschließend feiern wir gemeinsam einen Familiengottesdienst und läuten damit die Karwoche ein.“ Wer Rosalie, Emelie, Clara, Mika, Fabian und ihren Mitstreitern in die vor Vorfreude geröteten Gesichter blickt, ahnt, dass sogar generationenalte Traditionen manchmal noch ganz schön spannend sein können.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 05.04.2017; Wewstfälische Nachrichten, 05.04.2017)