Ich bin ein Lego-Kind. Zugegeben: ein betagtes. Aber wer jemals gelbe auf rote auf blaue Plastikklötze gesetzt hat, ist häufig ein Leben lang mit dem Konstruktions-Virus infiziert. Die Gesamtschüler der Robotic-AG zeigen mir, was man aktuell mit den bunten Steinen anstellt.
Alexander aus Lotte ist schwer beschäftigt: Der Siebtklässler sitzt über sein Laptop gebeugt und überlegt, wie er Bob zu mehr Verstand verhelfen kann. Bob – das ist der Lego-Roboter, den er und seine beiden Teamkollegen Alexander und Jannis beim Vorentscheid der World Robot Olympiad (WRO) ins Rennen schicken wollen. Doch bis ihr selbsterdachtes, selbstprogrammiertes und eigenhändig zusammengesetztes Lego-Geschöpf am 20. Mai an den Start geht, muss es noch um einiges klüger und stärker werden. „Ich kümmere mich gerade darum, einen stabileren Greifarm zu bauen“, sagt Alexander aus Westerkappeln und fischt eine lange, rote Plastikstange aus dem Haufen bunter Kunststoffteile heraus. „Der erste Greifer ist uns beim Anheben der Bäume kaputt gegangen.“ Jannis, der Dritte im Team, befestigt ein paar Kabel an Bobs Skelett, schiebt den vierräderigen Rohbau nachdenklich über die Tischplatte und erklärt mir dabei, worum es hier überhaupt geht.
Eine Welt voller Möglichkeiten
Denn während sich die wunderbare Welt der Lego-Steine zu meiner Kindheit zwar bereits bunt und voller schier unbegrenzter Möglichkeiten präsentierte, war sie doch von eher statischer Natur geprägt: Statt mit ihrer Umgebung kommunizierende Roboter haben mein alter Kumpel Ansgar und ich Dutzende von riesigen, architektonisch ausgeklügelten Gebäuden errichtet: Ritterburgen, Leuchttürme, Bauernhöfe. Die Herausforderung war eine andere als heute – fragile Türscharniere, erste Lichtsteine, eine mechanische Drehscheibe. Jetzt nur kein Mitleid mit den Veteranen der Prä-Mindstorms-Ära, liebe Digital-Natives: Der Spaßfaktor war nämlich auch damals schon beträchtlich.
Eine eigene Disziplin
Mittlerweile aber, erfahre ich von Jannis, Alexander, Alexander und ihren Mitschülern von der Robotic-AG, hat sich das Konstruieren und Programmieren von Lego-Robotern international zu einer ernsthaften Disziplin entwickelt: mit eigenen WRO-Regionalentscheiden, Länderfinalen und der WRO-Weltmeisterschaft, die in diesem November in Costa Rica stattfindet. In drei verschiedenen Kategorien – Open, Regular und Football und den jeweiligen Altersklassen Elementary (8 bis 12 Jahre), Junior (13 bis 15) und Senior (16 bis 19) – messen sich die Lego-Enthusiasten alljährlich, um zu ermitteln, wessen Roboter die von der WRO vorgegebenen Aufgaben am geschicktesten löst. Dabei stellt die WRO jede Wettkampfsaison unter ein bestimmtes Motto – gegenwärtig dreht sich alles um das Thema Nachhaltigkeit.
Ein Roboter mit Weitsicht
Bob, das wackere Gefährt von Alexander, Alexander und Jannis soll – wie die anderen Konstruktionen der Kategorie Regular Junior – einem fiktiven Unternehmen dabei helfen, dessen Kohlenstoffdioxidausstoß auszubalancieren, indem er auf der Spielfeldmatte Solarzellen installiert und kleine rote, gelbe und grüne Lego-Bäumchen pflanzt. „Dafür müssen wir ihm beibringen, wie er die Bäume mit seinem Greifarm festhält, anhebt, zu der entsprechenden Stelle auf dem Spielfeld transportiert und dort abstellt“, beschreibt Jannis die Aufgabenstellung. Als sei das nicht Herausforderung genug, muss Bob je nach Ausgangssituation die Bäume flexibel und entsprechend ihrer Farbe auswählen. „Dazu werden wir Infrarot-Sensoren installieren“, erläutert Alexander aus Lotte.
Statisch, technisch, digital
Keine Frage: Das einst so beschauliche Lego-Land meiner Kindheit hat sich verändert. Aus statisch wurde technisch, aus elektronisch wurde digital. Geblieben ist aber auch in der schönen neuen Welt der Generation Robotic die Faszination an dem unglaublichen Potenzial, das die kleinen bunten Plastikklötze in sich bergen und mit dem sie den Spaß an der eigenen Kreativität wecken.
Anmelden bis zum 10. März
„Robotic ist mehr, als nur mit Lego zu spielen“, betont Thorsten Freese, Lehrer für Mathe, Physik, Technik und Informatik an der Gesamtschule und Coach der Robotic-AG: „Die Schüler lernen hier Teamwork, Projektmanagement, die Grundlagen des informationstechnischen Programmierens – und ganz nebenbei auch noch Mathe und Physik.“ Auch Freese ist momentan schwer beschäftigt: mit der Organisation des WRO-Regionalwettbewerbs, der am 20. Mai in der Gesamtschule am Standort Westerkappeln ausgetragen wird. Wer noch mitmachen möchte: Die Anmeldefrist endet am 10. März, Informationen unter worldrobotolympiad.de oder bei Thorsten Freese unter Telefon 05404/ 963720 oder über Email freese@gesamtschule-lowe.de.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 22.02.2017; Westfälische Nachrichten, 22.02.2017)