Wer sich im Kirchenkreis Tecklenburg oder im Kreisdekanat Steinfurt, zu denen auch die Gemeinden Lotte und Westerkappeln gehören, für alternative Meditationsformen interessiert, dem sei ein Besuch bei der liturgischen Tanzgruppe in Recke empfohlen.
Der eine macht sich bewusst schweigend auf die Suche nach der eigenen Mitte. Der andere meditiert, visualisiert oder atmet sich ins Herz seiner Konzentration. Wenn Gabriele Hecker, Pastoralreferentin im Ruhestand, jenen von heiterer Gelassenheit geprägten Seelenzustand anstrebt, um der Hektik des Alltags zu entfliehen und ihre Gedanken zu sortieren, dann begibt sie sich mit beschwingten Schritten auf den Weg dorthin: Seit beinahe zwanzig Jahren leitet die gebürtige Wittenbergerin eine liturgische Tanzgruppe in der Nachbargemeinde Recke. Neugierig darauf, ob das andächtige Wandeln zu erbaulicher Musik wohl auch mein Gemüt in kontemplative Entschleunigung versetzt, habe ich mich zu einer Schnupperstunde angemeldet.
Im flackernden Kerzenschein
Das Licht im Gebetsraum des Fürstenberg-Gymnasiums ist gedämpft. Eine einsame Kerze wirft ihr flackerndes Licht auf die Körper der Frauen, die sich mit sanften Bewegungen zu den Klängen eines Andante von Paolo Salulini langsam im Kreis wiegen. „Last euch in die Musik hineinfallen“, lädt Gabriele Hecker ihre Mittänzerinnen ein und beschreibt mit ruhiger Stimme die choreografierte Schrittfolge: Beginnend mit dem rechten Fuß bewegen wir uns im getragenen Viervierteltakt vier Schritte auf die Kerze in der Kreismitte zu. Dort schwenken wir viermal unsere bunten Tücher, von denen wir jeweils eins in jeder Hand tragen. Dann geht es gemächlich vier Schritte rückwärts zum Ausgangspunkt zurück, an dem wir uns schließlich in vier Schritten geduldig um die eigene Achse drehen.
Eine Oase der Stille
Während ich aufmerksam Fuß vor Fuß setze, stelle ich erleichtert fest, dass sich die Anforderungen an die koordinatorische Geschicklichkeit beim liturgischen Tanzen in erfreulichen Grenzen halten. Auf den Gesichtern der Teilnehmerinnen zeichnet sich ein gelöstes Lächeln ab. Einige der Frauen bewegen sich mit geschlossenen Augen. Eine Atmosphäre inspirierender Friedlichkeit erfüllt den Raum und spannt eine Oase, einen Ort der Stille im eigenen Inneren, auf.
Feuer und Flamme
Rückblick: Als Pastoralreferentin Gabriele Hecker vor mehr als zwanzig Jahren im Rahmen einer beruflichen Fortbildung bei der Würzburger Tanzpädagogin Gabriele Wollmann den liturgischen Tanz kennenlernte, war sie sofort Feuer und Flamme – und ließ sich daraufhin selbst für das Unterrichten der getanzten Meditationsweise ausbilden. „Beim liturgischen Tanzen treten wir nicht mit Worten, sondern mit dem ganzen Körper vor Gott“, beschreibt sie das Phänomen aus christlicher Sicht. „Es ist eine ganzheitliche Form des Kommunizierens, bei der wir versuchen, durch einfache, sich wiederholende Bewegungen zur Ruhe, zu uns selbst und auch ins Gebet zu kommen.“
Offen für Christen und Nicht-Christen
Ob als überkonfessionell getanztes Glaubensbekenntnis oder schlichtweg als alternative Form der Meditation – in der liturgischen Tanzgruppe von Gabriele Hecker sind sowohl Christen als auch Nicht-Christen willkommen. „Wir freuen uns über jeden, der den liturgischen Tanz kennenlernen möchte“, lädt die leichtfüßige Reckerin zum Hineinschnuppern ein. Die Gruppe trifft sich alle vierzehn Tage montags im Gebetsraum des Fürstenberg-Gymnasiums in Recke. Der nächste Termin ist der 20. Februar um 18 Uhr. Wer Fragen zum liturgischen Tanzen hat, kann sich unter 05453/3429 auch telefonisch an Gabriele Hecker wenden.
Vielseitiges Repertoire
Irgendwann verebben die erhabenen Klänge des Andante und der Tüchertanz ist beendet. Schade. Denn gedankenverloren im Kerzenschein zu tanzen, dabei das fröhliche Schweben der bunten Tücher zu beobachten und sich ganzheitlich dem Hier und Jetzt hinzugeben – das hätte ich noch eine ganze Weile weitergenießen können. Aber, so erfahre ich jetzt, das Repertoire der Gruppe ist vielseitig und umfasst neben eigens für das meditative Tanzen entwickelten Schrittfolgen auch Volks- und andere Kreistänze – „zum Beispiel aus Rumänien, Israel oder Finnland“, erklärt Gabriele Hecker. „Mal mit, mal ohne biblischen Hintergrund.“
Einreihen und Mittanzen
Zum Abschluss des Abends tanzen wir noch gemeinsam zu einem feierlichen Taizé-Gesang. Und wieder sind die Bewegungen betont einfach gehalten, so dass auch ich als Anfängerin keinerlei Schwierigkeiten habe, den Rhythmus zu finden und dem Muster der Gesten zu folgen. „Unser Bestreben ist es, dass hier jeder – ohne irgendwelche Vorkenntnisse – sofort mitmachen kann“, benennt Gabriele Hecker einen ihrer Grundsätze. Um den liturgischen Tanz bekannter zu machen, gestaltet die Gruppe aus Recke auch regelmäßig Gottesdienste in der Region mit. Am Weltgebetstag der Frauen am Freitag, 3. März, sind die liturgischen Tänzerinnen in der St. Agatha Kirche in Mettingen zu sehen. Und wen es beim Zuschauen in den Füßen oder in der Seele juckt – der kann sich direkt einreihen und mittanzen.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 15.02.2017)