Töpfern ist toll. Finde ich. Das sehen übrigens auch Jasper (7 Jahre) und Saskia (15), Luca (9), Raik (7) und David (10) so. Die fünf Hobbyhandwerker formen aus plumpen Lehmbrocken – ja was eigentlich? Um das herauszufinden, schaue ich ihnen über die Schulter.
Einmal in der Woche treffen sich bis zu einem knappem Dutzend Kinder und Jugendliche im Werkraum der Grundschule Bullerdiek, um sich von Jutta Ohlmeyer in die Kunst des Töpferns einweihen zu lassen. Und hier fängt es eigentlich schon an, das Tolle am Töpfern: Denn wenn ein Paar eifrige, experimentierfreudige und gestaltungsbegierige Kinderhände auf einen spiegelglatten, mattglänzenden, plastischen Ball aus Ton treffen – dann ist da eigentlich gar keine große Anleitung mehr erforderlich. Als bildeten Menschenhand und Erdklumpen längst ein eingespieltes Team. „Außerdem ist das ja fast wie mit Knete“, lässt sich Raik jedenfalls nicht von der Jahrtausende alten Geschichte des Töpfer-Handwerks einschüchtern: Bereits 24000 Jahre vor Christus sollen Mammutjäger aus Ton erste Götter- und Tierfiguren geformt haben. Ganz in der Tradition seiner Vorfahren hat sich der siebenjährige Raik an diesem Nachmittag vorgenommen, einen Hasen zu modellieren.
Töpfern macht glücklich
Ihm gegenüber sitzt Saskia am hölzernen Basteltisch und bearbeitet ihre Portion Ton mit dem Nudelholz. Nein – die Jugendliche plant keinen Pizzaboden zuzubereiten, sie wagt sich mit geschickten Händen vielmehr an etwas von dauerhafterer Existenz: Die 15-Jährige nudelt sich ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spielbrett zurecht. „Mein erstes ist mir leider zerbrochen, aber die selbst getöpferten Figuren dazu habe ich noch“, gibt sie sich als ebenso unerschütterliche wie begeisterte Handwerkerin zu erkennen. Womit wir beim zweiten Aspekt angelangt wären, der das Töpfern zu einem tollen Hobby werden lässt: Töpfern kann glücklich machen. Oder doch zumindest solide Zufriedenheit erzeugen. „Viele, die einmal getöpfert haben, bleiben dabei“, sagt Kursleiterin Jutta Ohlmeyer. Sie leitet schon seit vielen Jahren die Töpfer-Kurse bei der Westerkappelner Elterninitiative für Spielen und Erleben (Wespe). Auch Saskia hat als Grundschülerin ihre ersten Erfahrungen bei Jutta Ohlmeyer gesammelt. „Und weil es mir so einen Spaß gemacht hat, bin ich immer wieder gekommen“, erklärt die Schülerin.
Wichtig: Sich Zeit nehmen
Während Raik und Saskia, Luca und David an putzigen Osterhasen und ausgeklügelt entworfenen Spielbrettern, mutig geschwungenen Tellern und hübsch verzierten Müslischalen kneten und formen, knibbeln und fingern, gibt Jutta Ohlmeyer ihnen Tipps und Hilfestellung: „Eure Gegenstände sollten wie aus einem Guss sein“, erklärt sie, „streicht jedes neue Stückchen Ton, das ihr auftragt, sorgfältig an, damit es später beim Brennen nicht abfällt – und ganz wichtig: nehmt euch die Zeit, die ihr braucht.“
Kerzenständer und Krokodile
Auch mir hat die Kursleiterin einen Tonballen vor die Hände gerollt. „Weißt du schon, was du daraus machen willst?“, wendet sich mein Tischnachbar Jasper interessiert zu mir und lotst mich, wohl meine Unentschlossenheit bemerkend, zum Regal. „Ich zeig dir mal, was ich vergangenes Mal gebastelt habe“, sagt er und deutet auf ein gefährlich seine Zähne fletschendes Krokodil, das zwischen Kerzenständern und Türschildern seiner Glasur harrt. „Willst du auch so eins machen?“, fragt der Siebenjährige und nickt mir aufmunternd zu. Viel zu schwierig, lehne ich ab. Dann schon lieber einen dieser drolligen und ermutigend schlicht gehaltenen Pinguine, die ein bisschen weiter rechts stehen. „Das sind auch meine“, sagt Jasper stolz, „ich kann dir erklären, wie du’s machst.“
Jeder lernt von jedem
Gesagt, getan: Frei nach dem Motto „Macht Klumpen zu Pinguinen“ begeben Jasper und ich uns beherzt ans Werk. Aus purer Solidarität fügt der fingerfertige Seester seiner Schnabelträgerpopulation ein weiteres Exemplar hinzu. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, erklärt mir mein junger Mentor den nächsten Schritt. A propos junger Mentor: Tolles Töpfern, Teil drei: Ob fünf, sieben oder 88 Jahre alt – Töpfern ist eine zeitlose Beschäftigung. „Jeder lernt von jedem“, bestätigt Jutta Ohlmeyer.
Ein verwegener Pinguin
Als mich am Ende eines unterhaltsamen Bastelnachmittags ein leicht windschief ausgerichteter Pinguin mit markant geformtem Schnabel und abenteuerlich abgespreizten Flügeln aus seinen schielenden Augen freundlich anblickt, fällt mir noch ein weiterer Vorzug dieses Hobbys ein: Töpfern ist eine überaus motivierende Herausforderung, an der sowohl der schöpferische Geist als auch das handwerkliche Geschick beständig wachsen können. Der Profi kreiert filigrane Keramikkunst, die Anfängerin versucht sich an Pinguinen.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 25.01.2017; Westfälische Nachrichten, 25.01.2017)