Gesteckt. Genäht. Geklebt. Geschweißt. Wer seinem Gestaltungseifer freien Lauf lassen und Deko-Elemente für Haus und Garten selber herstellen möchte, betritt ein weites Feld, dessen Früchte bis weit über Speckstein und Seidentücher, Glasperlen, Gips und hübsch patinierte Metalle hinausreichen.
Als ich die Tür zum Schankraum des Seester Schießstandes öffne, in dem der Landfrauenverein Westerkappeln-Wersen an diesem Nachmittag einen Workshop zum Thema „Basteln mit Weidenruten“ anbietet, sehe ich allerdings das unendliche Feld der kreativen Möglichkeiten vor lauter Bäumen nicht: Kursleiterin Doris Stehmann hat das beschauliche kleine Zimmer gründlich aufgeforstet.
Durchs dichte Unterholz
Durch das sperrige Unterholz aus einjährigen Weidenzweigen, die in standfesten Eimern drapiert bis an die Decke des Schießstandes ragen, pirschen unverdrossen mehr als zwei Dutzend Landfrauen, die Hände schützend vor ihre Gesichter erhoben. Während sie sich auf einer der gefliesten Lichtungen ihren Arbeitsplatz einrichten, ertragen sie das unvermeidliche Spießrutenlaufen durch den Stangenwald mit scheinbar stoischem Gleichmut. Immer wieder peitscht der einen oder anderen Teilnehmerin beim Hin- und Hertransportieren des Materials ein Weidenzweig um die Ohren. Autsch! Immerhin: Die beeindruckende Elastizität des Holzes bürgt für beste Bastelqualität.
Do-it-yourself-Dekorateurin
Ich kämpfe mich durch die hölzerne Kulisse bis zu Doris Stehmann. Die versierte Do-it-yourself-Dekorateurin aus Mettingen hat bei einer ähnlichen Veranstaltung vor zwei Jahren bereits viele Wersener- und Seesterinnen für die Arbeit mit den vielseitig verwendbaren Weidenruten begeistert. Stand damals das Basteln von Fackeln und Laternen für den Außenbereich im Mittelpunkt, geht es dieses Mal vor allem um kunstvoll geflochtene Rankgitter, die auch für den Innenraum taugen. „Wer mit Weidenruten arbeitet, muss sich vorher genau überlegen, wofür er sie benutzen will“, weist Doris Stehmann auf eine wesentliche Eigenschaft der Pflanze hin: „Steckt die Weidenrute erst einmal in der Erde, treibt sie sofort wieder aus.“ Wer den puristischen Anblick des schlichten Holzes bevorzugt, sollte deshalb dafür sorgen, dass die Zweige komplett austrocknen, bevor er sie in seinem Garten platziert.
Zäher Eigensinn des Materials
Ist die Entscheidung über das „wofür“ gefallen, gilt es jetzt nur noch, das „wie“ technisch in den Griff zu bekommen. „Das Prinzip ist das gleiche wie beim Teppichweben“, erklärt Doris Stehmann mir und den anderen Anfängerinnen. Allerdings: Während der Teppichfaden von eher schlaffer Natur ist, zeichnet sich die Weidenrute durch zähen Eigensinn aus. Doch wer Deko will, darf die Strapaze nicht fürchten: Also stülpen wir schicksalsergeben zwei Eimer so ineinander, dass ein Zwischenraum bleibt, den wir mit Sand ausfüllen – fertig ist der Ständer für unsere Bastelarbeit. Vorsichtig drücken wir anschließend die wehrhaften Weidenzweige im Abstand von etwa zehn Zentimetern in das Substrat. Sind die senkrechten Ruten gebändigt, umflechten wir sie mit dünneren Trieben: Zuerst entsteht ein rund 20 Zentimeter hoher Sockel, der für die nötige Stabilität sorgt, danach eine hübsche Spirale als Muster. Oben werden die Weidenzweige mit einem Band zusammengebunden, sodass das Rankgitter eine Art Zipfelmützenform erhält.
Vielversprechende Ideen
Nach und nach lichtet sich der Weidenwald im Seester Schießstand: Das hölzerne Wirrwarr hat sich zu akkurat geflochtenen Inseln verdichtet. „Ich werde mein Rankgitter auf der Diele trocknen lassen und es dann im Mai mit der Schwarzäugigen Susanne bepflanzen“, betrachtet Almuth Stiegemeyer aus Seeste zufrieden ihr Werk. Ihre Landfrauenkollegin Meike Wietheger aus Wersen sieht ihren hölzernen Kokon eher als hübsche Sommerresidenz für ein paar leckere, rankende Erdbeeren. Auch eine effektvoll durchs Flechtwerk geschwungene Lichterkette, wie Christel Mennewisch sie erwägt, dürfte eine Zierde für jedes Wohnzimmer sein. Allerhand gestalterische Pläne und vielversprechende Ideen vibrieren durchs Weidengeäst.
Kosmetische Unregelmäßigkeiten
Gepiekst, gepeitscht, aber glücklich verlassen wir am Ende des Bastelnachmittags den gründlich gerodeten Schankraum. Denn mal ehrlich: Was sind schon ein paar kosmetische Unregelmäßigkeiten angesichts der imponierenden Deko-Trophäen, die wir in den Kofferräumen unserer Wagen verstauen. Verstohlen reiben wir uns die Striemen auf den Wangen – und freuen uns furchtlos auf den nächsten Weiden-Workshop mit Doris Stehmann.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 18.01.2017)