Fragen Sie mal ihre Kinder oder ihre Enkel, ob ihnen der Name „Edelgard Steer“ etwas sagt. Denn eigentlich dürfte fast jeder, der in den vergangenen 14 Jahren hier in der Gemeinde einen Kindergarten oder eine Grundschule besucht hat, Bekanntschaft mit der engagierten Landfrau aus Seeste gemacht haben.
Ob beim von ihr initiierten Schulfrühstück der Landfrauen, beim „Apfeltag“ auf dem familieneigenen Betrieb, oder wenn sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Birgit Leyschulte auf deren Hof „Unterwegs auf der Milchstraße“ ist, ob mit der „Schulmilchkampagne“ oder beim „Kochen und Backen mit Karla“ – Edelgard Steer verfügt über ein attraktives Repertoire an Projekten, mit denen sie vor allem den Jüngeren die vielfältigen Aspekte der hiesigen Landwirtschaft näher bringt.
Auszeichnung von der UNESCO
Nun erhielt die Fachfrau für Ernährungs- und Verbraucherbildung gemeinsam mit ihren rund 230 Kolleginnen aus den nordrhein-westfälischen Landfrauenverbänden eine ganz besondere Auszeichnung: Die UNESCO-Kommission ehrte die Fachfrauen für deren professionellen Einsatz, Kindern und Erwachsenen ökologisch, sozial und wirtschaftlich umsichtiges Verhalten und einen schonenden Umgang mit den Ressourcen aufzuzeigen. „Die Fachfrauen für Ernährungs- und Verbraucherbildung zeigen eindrucksvoll, wie zukunftsfähige Bildung aussehen kann“, lobte Professor Gerhard de Haan, Vorsitzender des Nationalkomitees und der Jury der UN-Dekade in Deutschland, während der offiziellen Preisverleihung in Frankfurt am Main und ergänzte: „ Das Votum der Jury würdigt das Projekt, weil es verständlich vermittelt, wie Menschen nachhaltig handeln.“
Motiviert aus Überzeugung
Edelgard Steer sitzt in ihrem Wohnzimmer im heimischen Seeste und schaut ziemlich zufrieden aus. In Frankfurt sei sie nicht gewesen, schüttelt sie lächelnd den Kopf, aber stolz sei sie natürlich trotzdem auf die Auszeichnung. „Das ist auf jeden Fall eine schöne Anerkennung für unsere Arbeit“, sagt sie. Aber gebraucht, um neue Motivation zu finden, hat die ausgebildete Hauswirtschaftsmeisterin den Preis nicht wirklich: Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern engagiert sich aus Überzeugung für die Belange der ländlichen Region. Im vergangenen Herbst hat sie mit den Viertklässlern der Grundschule Stadt das von ihr mitentwickelte Leaderprojekt „Entdeckertour Haushalt“ durchgeführt, hat den Kindern gezeigt, wie sie kleine Mahlzeiten zubereiten können und mit ihnen über die Qualität verschiedener Lebensmittel diskutiert. „In diesen Wochen geht es nun mit dem gleichen Projekt in den dritten Klassen weiter“, berichtet sie.
Vom Alltag auf den Höfen
Worauf gründen sich Steers Ambitionen, ihren Mitmenschen die Welt des regionalen Agrarlebens so beherzt zu veranschaulichen und sie am Alltag auf den Höfen teilhaben zu lassen? Die Landwirtstochter, die im Kreis Unna aufgewachsen ist, muss nicht lange überlegen: „Ich wollte schon immer etwas bewegen“, bekennt sie freimütig. Der Öffentlichkeit ein realistisches Bild von ihrem Berufsstand zu vermitteln, betont sie, das sei ihr besonders wichtig. Wen wundert es also, dass Edelgard Steer schon in jungen Jahren organisiert und strukturiert zu Werke ging: Ja, bestätigt sie, in der Landjugend sei sie früher durchaus sehr aktiv gewesen. Dass sie eine zeitlang im Vorstand der Westfälisch-Lippischen Landjugend tätig war, davon mehrere Jahre als stellvertretende Landesvorsitzende, erfährt man nebenbei.
Realistische Bilder vermitteln
Nachdem die eigenen Kinder aus dem Gröbsten herausgewachsen waren, legte Edelgard Steer, inzwischen zur Westerkappelnerin geworden, von Neuem in Sachen Öffentlichkeitsarbeit los: „1998 habe ich beim Landfrauenverband die Ausbildung zur Botschafterin für heimische Agrarprodukte gemacht“, berichtet sie. Sie übernahm ihre ersten Kampagnen „Schulmilch“ und „Schulobst“, mit denen sie an den Bildungsstätten in der Umgebung den Blick auf den Beitrag der Landwirtschaft für eine gesunde Ernährung lenkte.
Agrarpädagogische Fleißarbeiten
2005 ging es weiter mit der Ausbildung zur Fachfrau für Ernährungs- und Verbraucherbildung: In einem 50-stündigen Lehrgang lernte die Seesterin unter anderem das pädagogische Rüstzeug kennen, mit dessen Hilfe sie fortan auch in den Offenen Ganztagsschulen das Wissen über den Alltag auf dem Lande an das Kind bringen konnte. „Die Teilnehmerinnen des Lehrgangs haben jede eine Facharbeit über ein selbst ausgearbeitetes Projekt geschrieben“, erzählt sie und klopft mit vielsagendem Blick auf den Deckel eines dicken Ordners, der vor ihr auf dem Tisch liegt. Aus dieser wertvollen Quelle agrarpädagogischer Fleißarbeiten speisen sich zum Teil auch ihre aktuellen Projekte. Ihr eigener Beitrag trägt den Titel: „Der Jahreskreis – wir danken für die Ernte.“ Damals begann sie auch, sich im Landfrauenservice Münsterland zu engagieren, dem sie seit einigen Jahren vorsteht. Wenn die Seesterin etwas anpackt – man ahnt es, wenn man ihr zuhört – dann setzt sie sich auch zu hundert Prozent ein.
Entdeckertour Haushalt für Schüler
Was plant Edelgard Steer für die Zukunft? Ein paar Kolleginnen vom Landfrauenverband entwickeln derzeit das Leaderprojekt „Entdeckertour Haushalt“ für die fünften und sechsten Schulklassen weiter. „Das klingt doch sehr spannend“, befindet sie. „Wenn das Projekt ausgereift ist, werde ich mich weiterbilden lassen und interessierten Schulen anbieten, es gemeinsam mit ihnen durchzuführen.“ Vorher gilt es aber noch, einen Termin der eher feierlichen Art wahrzunehmen: Am ersten Februar hat NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel die Fachfrauen für Ernährungs- und Verbraucherbildung nach Münster eingeladen, um sie für ihre Auszeichnung durch die UNESCO zu ehren. Und dort wird dann wohl auch Edelgard Steer dabei sein.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 17.01.2013; Westfälische Nachrichten, 17.01.2013)