Bei einer Wanderung durch Tecklenburg erläutert Heilpflanzenexpertin Brigitte Schürkamp den Teilnehmern aus der Region nicht nur die Vielfalt der heimischen Vegetation, sondern gibt auch jede Menge praktische Tipps, wie sich die Kräuter nutzen lassen.
Pestwurz gegen Migräne. Weißdorn zur Regulierung des Blutdrucks. Brennnesselsamen als Zusatz für eine schmackhafte Mahlzeit. Wer sich mit Heilpflanzenexpertin Brigitte Schürkamp auf den Weg durch die Natur macht, kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus – und spart sich womöglich künftig den einen oder anderen Besuch in der Apotheke oder auf dem Wochenmarkt. Denn egal, ob als vitaminreicher Salat gemümmelt oder geschlürft als das Immunsystem stärkender Tee, ob als lindernde Essenz geschluckt oder als vorbeugende Salbe aufgetragen – vieles, was direkt vor unseren Füßen wächst, birgt reichlich Gutes für das menschliche Wohlbefinden. Und der Clou an der Sache: Die meisten pflanzlichen Produkte, die wir für die eigene Hausapotheke verwenden können, lassen sich ohne viel Mühe selber herstellen.
Profunde Sachkenntnis
Allerdings sollte jeder angehende Heilpflanzenanwender, der die Kraft der Blüten und Wurzeln, der Stängel und Früchte nutzten will, sich – bevor er in der eigenen Kräuterküche loslegt – gründlich und gewissenhaft informieren. Schließlich sind nicht alle pflanzlichen Inhaltsstoffe der Gesundheit zuträglich. Manche sind ungenießbar, andere durchaus giftig. Ähnlich wie beim Pilzesammeln ist bei der Verarbeitung von Heilpflanzen also eine profunde Sachkenntnis gefragt. „Viele der Pflanzen, die ich regelmäßig verwende, baue ich mittlerweile bei mir zuhause an“, verweist Brigitte Schürkamp auf eine praktische und ungefährliche Variante ihrer Freizeitbeschäftigung. „Wer sich nicht sicher ist, kann auch auf Fertigpräparate aus der Apotheke zurückgreifen“, rät die 54-Jährige. „Und wer schwere oder längerfristige Beschwerden hat, sollte auf jeden Fall zum Arzt gehen.“ Der Meerrettich und der Beinwell, um die es im zweiten Teil des Heilpflanzen-Kurses gehen soll, stammen aus Brigitte Schürkamps eigenem Garten.
In der freien Wildbahn
„Wenn im Herbst Blätter und Blüten absterben, ziehen sich die Kräfte und die Inhaltsstoffe der Pflanzen in die Wurzeln zurück“, erklärt die ausgebildete Phytho- und Aromatherapeutin. „Die Wurzeln kann man den ganzen Winter über ernten.“ Was Lebensmittel angeht, bin ich ein eher vorsichtiger Mensch: Meine Erfahrung mit eigenverantwortlich in der freien Wildbahn gesuchten Kräutern beschränkt sich auf das zeitweilige Knabbern von Löwenzahnstängeln, als Ende der 1980er Jahre das Heilwissen der Hildegard von Bingen in meinem Bekanntenkreis kursierte. Ansonsten verlasse ich mich lieber auf den Fachhandel. Oder auf die Fachfrau, die Brigitte Schürkamp ohne jeden Zweifel ist.
Lindernder Sportbalsam
Sie zeigt uns beispielsweise, wie sich aus einem Beinwellwurzel-Kaltauszug, Bienenwachs, Johanniskrautöl, Lavendel-Tinktur, Cheabutter und verschiedenen Aromen ein entzündungshemmender Sportbalsam gegen Verspannungen, Muskel- und Gelenkschmerzen herstellen lässt. Kurze Zeit später spüre ich, wie eine selbst gefaltete Kompresse mit geriebener Meerrettichwurzel meinen Nacken wärmt und genieße anschließend die entspannende Wirkung des Ingwer-Jojoba-Massageöls. Alles frisch und alles mit Hilfe von uns Kursteilnehmern zubereitet.
Verwegener Plan
Salben, Aufgüsse, Tinkturen, Essenzen, Kalt- und Heißauszüge – längst schwant mir, dass auch die hobbymäßig betriebene Nutzung von Heilpflanzen einiges an Aufwand, Akribie und Akkuratesse erfordert. Aus einer gläsernen Karaffe, die einen dichten Dschungel aus umher wabernden Wasserpflanzen zu beherbergen scheint, befüllt Brigitte Schürkamp meine Tasse mit einer grünlichen Flüssigkeit. Einen Fisch suche ich im Ökosystem des transparenten Tümpels allerdings vergeblich. „Das ist ein Tee aus frischem Salbei, Thymian, Minze und Melisse“, erklärt sie mir. Vorsichtig nippe ich an dem Getränk. Obwohl ich ja eigentlich Kaffee bevorzuge, dauert es keine fünf Minuten, bis ich mit wachsender Begeisterung den kompletten 1,5-Liter-Krug geleert habe… total lecker! Salbei, Thymian, Minze und Melisse? Das klingt nicht wirklich kompliziert, schmiede ich einen verwegenen Plan für eine überzeugte Fachhandelkonsumentin: Im nächsten Frühjahr werde ich mir mein Bestimmungsbuch schnappen, mich in den Wald begeben und mir – zum frischen Verzehr – mein eigenes Aquarium anlegen.
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 05.10.2016)