Etwa sechs, sieben oder, zusammen mit ihrem Nachwuchs, vielleicht sogar zehn Feldhasen haben den weitläufigen Garten der Familie Mertens in Voltlage zu ihrem Revier erklärt. Längst sind die Langohren aus dem häuslichen Areal nicht mehr wegzudenken.
Auf dem verwunschenen Grundstück von Karl Mertens, Mitglied im „Geflügelzuchtverein Bersenbrück und Umgebung“ und seiner Frau Anna zirpt, schnattert und gackert es aus allen Ecken: Rebhühner, Kanarienvögel, Graukopfgänse. Rund um die Volieren erstreckt sich ein aufwendig gestaltetes Wildwiesengehege. Der üppige Bauerngarten, in dem Bienen und Schmetterlinge über Zucchini, Bohnen und Kohlrabi summen und flattern, rundet das blühende, duftende und sprießende Paradies ab. Eine kurzweilige Oase für jeden Naturliebhaber.
Barriere freies Wohnen
Doch auch der Feldhase weiß das reichhaltige Angebot an Kräutern und Unterschlupfmöglichkeiten offenbar zu schätzen: Seit Jahren beherbergen die Mertens die scheuen Mümmelmänner nun schon auf ihrer Wiese. „Die Hasen könnten ja problemlos über den Zaun springen“, sinniert Karl Mertens, „wenn sie es denn wollten.“ Er lehnt über der hüfthohen Absperrung und lässt seinen Blick aufmerksam über das Gelände schweifen. „Aber sie wollen nicht“, sagt er und lächelt. Außer seinem Herz für das Geflügel hat der 80-jährige Voltlager inzwischen längst auch ein Faible für die munteren Langohren entwickelt: „Der Hase ist wild und bleibt wild“, weiß Mertens über das Wesen seiner ungewöhnlichen Mitbewohner zu berichten, „aber man kann trotzdem viel Spaß an ihm haben.“
Öde Umgebung
Leben und leben lassen. Vielleicht hat gerade diese Einstellung den Ausschlag dafür gegeben, dass sich die Horde wilder Feldhasen bei Karl und Anna Mertens so wohlfühlt. Die benachbarte Umgebung ist geprägt von landwirtschaftlichen Nutzflächen: Intensiv bewirtschaftete Äcker. Keine Brachen. Kaum Randstreifen. „Vielleicht ist das dem Hasen zu öde“, sagt Mertens über die Welt jenseits des Zaunes. Stellt sich nur die Frage: Wie und wann sind die Hasen überhaupt ins Gehege gekommen – und warum gleich so viele?
Erste Hilfe
So schnell erzählt, so ungewöhnlich ist die Geschichte: „Vor fünf Jahren lag ein überfahrener Hase in unserem Vorgarten“, erinnert sich der ehemalige Maurer. Um das noch lebende, aber bewusstlose Tier vor dem drohenden Appetit herumstreunender Hunde zu retten, habe er es in das bis dahin nur von Fasanen und Enten bewohnte Wildgehege getragen. Nach ein paar Tagen hatte sich der Hase wieder erholt, hoppelte neugierig durch den Streifen aus Ölraps, rastete nachdenklich unter den Fichten, Walnuss- und Birnenbäumen – und grub sich schließlich, schwuppdiwupp, unter dem Zaun hindurch zurück in die Freiheit. „Hase weg“, stellte Mertens nüchtern fest.
Aus Einem werden Drei
Doch es verging keine Woche, da saß der vierbeinige Ausflügler wieder vor der Pforte des Geheges und begehrte Einlass. „Hase wieder da“, freute sich Tierfreund Mertens und gewährte dem treuen Langohren neuerlichen Eintritt. Sechs Wochen später waren dann aus dem einen, zweifellos einer alten Häsin, drei Hasen geworden: Häsin plus Jungtiere. „Das war der Anfang“, sagt der Voltlager und schmunzelt vergnügt. Seitdem hat der sich beständig erweiternde Familienverband von Meisterin Lampe das Mertens’sche Gehege nicht mehr verlassen. Jedenfalls nicht so bemerkbar, als dass es dem Hausherrn aufgefallen wäre. „Mein Mann steht ja oft stundenlang am Zaun und beobachtet seine Hasen“, berichtet Anna Mertens amüsiert, „aber einen Überblick darüber, wie viele es denn nun sind, den hat er nicht.“
(Bersenbrücker Kreisblatt, 22.08.2016)