In ihrem ersten Leben, damals in Füchtorf, haben Birgitta und Karl-Heinz Gärtner Reitpferde gehalten. Dazu Schafe, Hühner, Tauben und einen Hund. Karl-Heinz Gärtner war neben seiner Tätigkeit als Unternehmensberater als ambitionierter Vielseitigkeitsreiter auf den Turnierplätzen der Region unterwegs. Seine Frau kümmerte sich um Sohn Daniel, versorgte die Tiere und ließ ihrer Kreativität vor allem im eigenen Garten freien Lauf. Die beiden lächeln einander an. „Das war auch eine sehr schöne Zeit“, sagt die 62-jährige. „Herrlich!“, fügt ihr Mann hinzu. In den Augen der beiden blitzt die Erinnerung auf.
Kreativer Neuanfang
Doch mit dem Umzug 2004 nach Glandorf schlugen die Gärtners ein neues Kapitel in ihrer gemeinsamen Biografie auf. Nicht wehmütig, sondern konsequent und voller Neugier, was das Leben als nächstes für sie bereit halten würde. „Ich bin ein Mensch, der gern auf andere zugeht“, sagt Birgitta Gärtner. Dass sie über eine künstlerische Ader und ein außergewöhnliches Farbverständnis verfügt, haben ihre Lehrer der gebürtigen Beckumerin schon in der Schule bescheinigt. Das Bedürfnis, ihr Umfeld ästhetisch zu gestalten, zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. „Was also lag näher, als einen Malkurs zu besuchen, um eine alte Leidenschaft wieder aufleben zu lassen und dabei zugleich frische Kontakte zu knüpfen?“, dachte sie und packte sie die Gelegenheit des Neuanfangs beim Schopf. Und so kam der Stein ins Rollen, die Farbe auf die Leinwand und das Ehepaar Gärtner sich noch ein Stückchen näher.
Ausgeprägtes „Bauchhirn“
Den ersten Aquarellen von Birgitta Gärtner folgten schon bald großformatige Arbeiten aus Acryl und jede Menge Experimente: Ob Schlagmetall, Marmormehl oder Holzspäne – die Bilder der 62-Jährigen bestehen beileibe nicht bloß aus Licht und Farbe. „Ich probiere alle möglichen Materialien aus“, verweist sie schmunzelnd auf ihr ausgeprägtes „Bauchhirn“. Verrostete Landschaften. Seidenweiche Szenerien. Berauschende Momentaufnahmen. Davon, dass die Verarbeitung ihrer Eindrücke sowohl mit Verstand als auch mit Intuition keinen Kompromiss, sondern pure Synergie zum Ausdruck bringt, zeugt auch der lebhafte Zuspruch, den die Malerin nicht nur bei ihren Ausstellungen, sondern auch von ihren gleichgesinnten Mitstreiterinnen in der Malschule von Beate Bardenheuer erhält.
Aus dem Sattel an die Palette
Aber wie geht das zu, dass ein bodenständiger Reiter aus dem Sattel heraus an die Farbpalette gerät? Karl-Heinz Gärtner wiegt lachend den Kopf und kann es sich noch immer kaum selber erklären, wie lange er die eigene Kreativität als Kraftquelle für den Alltag schlichtweg ignoriert hat. „Als ich dann aber die tollen Werke meiner Frau gesehen und mitbekommen habe, wie viel Freude ihr die Malerei macht und wie viel Energie sie daraus schöpft“, schwärmt Karl-Heinz Gärtner, „habe ich gedacht: Vielleicht wäre das ja auch was für mich – und habe sie einfach zu ihrem Malkurs begleitet.“
Lob von allen Seiten
Als Hahn im Korb habe er als Anfänger „Lob von allen Seiten“ bekommen und sei dementsprechend motiviert an die Sache herangegangen, erinnert er sich amüsiert. Doch sein neu entdecktes Hobby war kein kurzes Vergnügen, sondern hat sich auch für ihn als ein tragfähiger Ausgleich erwiesen: „Ich bin zwar immer noch in der Probierphase“, beschreibt er die Suche nach seinem persönlichen Stil. „Aber wenn meine Frau und ich gemeinsam an unseren Bilder arbeiten, uns gegenseitig austauschen und inspirieren – dann tut uns das unbeschreiblich gut.“
(Erschienen in: Neue Osnabrücker Zeitung, 10.06.2016)